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Dragon Data und der Dragon 32
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Clarke initiiert das „Project Sam“ im Herbst 1981. Er beauftragt PA Technology (PAT) on Cambridge, ein Unternehmen der PA Consulting, einen neuen Mikrocomputer zu entwerfen. Da der Computermarkt sich sehr schnell entwickelt, stellt er dem PAT Team, welches von Ian Thompson-Bell geleitet wird, einen engen Zeitrahmen. Hierdurch ist das Team gezwungen, einen BASIC Interpreter zu lizenzieren, für eine Eigenentwicklung bleibt keine Zeit. Da die Auswahl begrenzt ist, fällt die Wahl auf Microsoft Extended BASIC.
Von der Hardware her ist der neue Rechner sehr leistungsfähig und verfügt über ein neuartiges Design: Anstelle eines Z80 oder 6502 wird der Motorola 6809 Mikroprozessor verwendet, der etwas leistungsfähiger ist. Dadurch können auch zwei weitere Chips verwendet werden, der Motorola 6883 Synchronous Address Multiplexer (SAM) Memory Controller und der Motorola 6847 Video Controller. Für Ein-/Ausgabeoperationen werden zudem zwei Motorola 6821 Peripheral Interface Adaptor (PIA) eingesetzt. Zwar haben bisher nur wenige Programmierer mit der 6809 gearbeitet, sind doch die bekannten Systeme wie Apple und PET mit dem 6502 und die von Tandy und Sinclair mit dem Z80 ausgestattet, aber Tandy hat zwei Jahre früher bereits in den USA einen Rechner unter dem Namen TRS-80 Color Computer (CoCo) mit 6809 Prozessor und Motorola Chipsatz für Video und Ein-/Ausgabesteuerung herausgebracht. Mettoys verfügt über gute Kontakte bei Motorola in Strathclyde (Schottland) und mit deren Hilfe entwickeln sie den Computer, der denselben Chipsatz benutzt, wie der CoCo von Tandy. Das Copyright dieses Rechners ist recht fragwürdig, da er auch das gleiche Tastaturlayout, Cartridge- und Joysticks-Ports und sogar Speicheraufteilung verwendet.
Da sich das PAT Team, anders als Tandy, für das Extended BASIC entscheidet und lizenzieren, können alle Features der Maschine ohne Update angesprochen werden.
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Ein Teil dieser Ãœberarbeitung ist auch ein neues BIOS (das Original gehört Tandy), das von Duncan Smeed entwickelt wird (Smeed hält zu diesem Zeitpunkt Computervorlesungen an der Strathcylde University in Glasgow). Smeed nimmt das Motorola Bios und modifiziert es passend zu den Hardwareänderungen, die das PAT Team am Referenzdesign vorgenommen haben. Er führt auch zahlreiche Optimierungen durch, z.B. bei den Tastaturroutinen, die einen Geschwindigkeitsvorteil von ca. 10% gegenüber dem Referenzdesign (und des CoCo) bedeuten. Er versteckt seine Initialen „DNS“ in den sechs Byte großen End-of-Line Sequenz, wobei die ersten zwei Bytes für Carriage Return und Line Feed verwendet werden. Ändert man eine Speicherzelle von 2 auf 6, so tauchen seine Initialen plötzlich in jeder Zeile auf. 1983 verlässt Smeed Strathclyde, um bei Dragon Data als System Software Manager einzusteigen. Er kehrt aber 1986, ein Jahr nachdem er Dragon Data verlassen hat, wieder an die Universität zurück und unterrichtet heute wieder Informatik.
Der Prototyp „Pippin“ mit 16 KByte ist im November 1981 fertiggestellt und besteht aus kaum mehr als einem Mainboard mit aufgesetzter Tastatur. Richard Wadman, Clarkes Marketing Manager, stellt ihn bereits Journalisten und Software-Entwicklern vor und beginnt damit das BASIC Handbuch für zu schreiben. Race Electronics in Newport wird kontaktiert, um eine erste Serie an Dragons zu produzieren. Es ist nicht ganz klar, wann genau die Produktion begann, auf jeden Fall nach Produktionsbeginn entscheidet Clarke, der jetzt das von Mettoy zur Vermarktung des Dragon gegründete Tochterunternehmen Dragon Data leitet, dass der Rechner mit 32 KByte ausgeliefert werden soll. Diese Entscheidung soll daher kommen, dass Sinclair einen Rechner, den Spectrum, mit 48 KByte RAM ankündigt, und Clarke mit der Technologieentwicklung Schritt halten will und deshalb den Arbeitsspeicher kurzerhand verdoppelt (der Tandy CoCo hat nur 4 bzw. 16 KByte Speicher). Da das Mainboard für die zusätzlichen 16 KByte nicht ausgelegt ist, werden die ersten 10.000 Geräte mit einer Zusatzplatine ausgeliefert. Das „Full-Size“ Keyboard soll ebenfalls helfen, gegen den günstigeren Spectrum 48k zu bestehen.
Im August 1982 bringt Dragon Data den Dragon 32 auf den Markt. Zu diesem Zeitpunkt beherrscht Sinclair den englischen Heimcomputermarkt und es ist zweifelhaft, ob der Neuling auf diesem überhaupt bestehen wird. So ist der Dragon 32 geboren, der nun von Mettoy an die Geschäfte ausgeliefert wird. Aufgrund der Schwierigkeiten von Sinclair seine Spectrums und von Acorn seine Electrons liefern zu können, gibt es eine rege Nachfrage nach dem Dragon 32.
Im Oktober 1982 geht es Mettoy finanziell sehr schlecht, so dass die einzige Möglichkeit in einer Übernahme von Daron Data besteht. Der Geschäftsführer Tony Clarke spricht viele Finanzinstitute an, um Dragon Data zu refinanzieren. 23% der Anteile geht an die Welsh Development Agency, 42% an Pru-tech (eine Investitionsabteilung von Prudential Insurance) und nur 15,5% verbleiben bei Mettoy. Mit dem neuen Geld kann Dragon Data einen Vertrag über die Produktion von Dragon-Rechner mit Race Electronics (die auch BBCs für Acorn bauen) abschließen, um die hohe Nachfrage zu befriedigen. Als Teil des Vertrags mit der Welsh Development Agency, muss Dragon Data in eine größere Fabrik ziehen, die eine größere Produktionsrate erlaubt im Vergleich zu dem momentanen Produktionsort bei Mettoy.
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Im April erscheint ein Diskettenlaufwerk für £275 und das OS9 Betriebssystem wird von Microware lizenziert. Viele weitere Erweiterungen erblicken aber nicht den Markt, darunter ein 64 KByte Upgrade, das auch zwei RS232 Schnittstellen bietet, ein 80 Zeichen/Zeile Monochrom-Videoadapter und zwei Computer für den Büroeinsatz.
In diesem Jahr beginnt auch die Markteinführung des Dragon in den USA und das Magazin Dragon User kommt auf den Markt, was für jeden User etwas bietet. Elkan Electronics importiert vier weitere Magazine aus den USA: The Rainbow, Colour Computer News, The Color Computer Magazine und Hot Co-Co.
Der Dragon 64
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Die ersten Probleme
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Ende September erscheint der Dragon 64 im neuen Gewand, aber mit alten Handbüchern mit einem Update-Manual, in England. Ist der Dragon bisher ein Erfolg gewesen, floppte der Tandy CoCo in England (£400 für 16KByte war viel zu teuer; der Dragon 32 lag bei nur £169). Ein weiteres Plus für den Dragon ist, dass Dragon Data seine Kunden wo es nur geht unterstützt; man braucht nur zu schreiben und Schaltpläne und technische Informationen werden kostenlos zugeschickt. Der Dragon 64 erscheint zwar endlich in England aber ohne das versprochene OS9.
Im November verkauft Mettoy seine Anteile an Dragon Data und Pru-tech kann so seine Anteile auf 49% steigern. Im Dezember 1983 gibt Brian Moore offiziell bekannt, dass der Dragon 128 entwickelt wird und 32/64 User ihre Rechner upgraden können.
Weitere Produkte
Im Dezember 1983 wird die Upgradepolitik nochmals geändert. Anstelle die Hauptplatine auszutauschen, kann der User nun seinen Dragon 32 zum Händler bringen und für £140 einen komplett neuen Dragon 64 mitnehmen (so hat es Commodore auch in den USA mit dem VIC-20 und C64 gemacht). Viele Anwender sind aber darüber sehr verärgert, sind doch auch schon 100 Pfund mehr als genug. Was die Anwender aber nicht bedenken ist, dass Dragon Data mit den Rückläufern nicht mehr viel anfangen kann und die Upgrade-Möglichkeit freiwillig von Dragon Data angeboten wird, damit man ein wenig sparen kann.
Im Februar 1984 erscheint nun endlich das OS9 zusammen mit einem technischen Datenbuch, das von Duncan Smeed und Ian Sommerville (einem Ex-Kollegen von Smeed) geschrieben wurde. Das Buch beschreibt die gesamte Hard- und Software des Dragon 32/64 und enhält die Daten aller Motorola-Chips, die im Dragon verwendet werden. Es ist klar, dass das Buch schon kurz nach dem Erscheinen ausverkauft ist. OS9 wird für £40 (für £20 mehr gibt es ein Programmierhandbuch dazu) angeboten. OS9 ist ein Unix ähnliches Multitasking-, Multiuser- und Realtime-Betriebssystem. Die Preise für das OS und einige neue Applikationen ist zwar höher als normalerweise von Dragon gewohnt, aber dafür ist die Qualität ausgezeichnet.
Das Ende von Dragon Data
Im März wird der Einfluss von GEC auf Dargon Data zunehmend größer. Während Dragon Data weitere Rechner entwickelt, plant GEC Drucker, Monitore und Kassettenrekorder für den Dragon herzustellen. Im Mai 1984 kündigt GEC Dragon Data (der neue Name für Dragon Data) einen neuen tragbaren Computer an. Diese 64 KByte Maschine soll über ein eingebautes Modem, und bis zu zwei 3,5″ Laufwerken für £700 verfügen. Ende Mai wird die Maschine der Öffentlichkeit vorgestellt. GEC Dragon stellt auch ein Paket für den SOHO (small office home office) Bereich vor, bestehend aus einem Dragon 64, GEC McMichael TV, OS9, Dragon Diskettenlaufwerk, Joysticks, drei Spielen auf Kassette (!) und einigen Büroprogramme. Ende Mai wird ein weiterer neuer Computer unter dem Projektnamen Alpha angekündigt, der als GEC Dragon Professional auf den Markt kommt. Im Prinzip ist er ein Dragon 64 mit eingebautem 3,5″ Laufwerk, programmierbarer Dreikanalsound, BT-Modem, RGB Monitoranschluss und Netzteil. Das BASIC wurde ebenfalls verbessert, so dass ein Textbildschirm von 51×24 bzw. 40×24 Zeichen unterstützt wird, anstelle der nur 32×16 Zeichen.
Das zweite Projekt mit Namen Beta soll ein Rechner für angepeilte £2500-3000 mit Dual-6809 Prozessor, 256 KByte RAM (bis 768 KByte erweiterbar), 80 Zeichen/Zeile Display, Grafikmodi 320×256 (16 Farben), 640×256/640×512/320×256 (4 Farben), 160×72 Teletextmode und zwei eingebauten 3,5″ Laufwerken werden. Mit Karten soll der Rechner erweitert werden, u.a. bis zum Netzwerk Fileserver.
Im Juli 1984 werden einige Vorserienmodelle gefertigt. Im selben Monat berichtet der Dragon User auch über die schlechte finanzielle Lage, in der sich Dragon Data befindet, wegen der Absatzschwierigkeiten in England und anderen Staaten. Schon früher im Jahr haben einige Kaufhäuser damit aufgehört den Dragon 32 zu verkaufen. Dragon Data ist Bankrott. Mettoy ist schwer angeschlagen durch die eigenen finanziellen Probleme und knapp ein Jahr später hat dieses Problem auch Dragon Data befallen.
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Eurohard kauft Dragon Data komplett für 1 Million Pfund. Der Deal besagt, dass GEC weiterhin für den Verkauf in England zuständig ist, während ein neues Unternehmen Touchmaster (untergebracht im alten Dragon Data Gebäude in Margam in Port Talbort unter der Führung von Brian Moore und Richard Wadman) die Eurohard Produkte in andere Regionen verkaufen soll.
Eurohard und die neuen Dragons
Im November beginnt Eurohard mit der Produktion von Dragon 32/64. Sie geben zu, dass der Dragon Professional nicht so wichtig ist und hält an den Plänen einer MSX Maschine fest. Im Dezember 1984 stellt Tano die Produktion der Dragons in den USA ein und Eurohard stellt nun 500 Geräte pro Tag her. Die weiteren Pläne sehen einen erweiterten Dragon 32/64 mit Namen Dragon 100/200 vor. Ab April 1985 geht es dem Dragon recht gut und wird für Weihnachten eine neue Maschine angekündigt. Im Mai wird der Dragon MSX vorgestellt, der von Radofin in Hong Kong für Eurohard produziert wird (die gleiche Firma stellte den Aquarius für Mattel her). Mit einem Z80 Prozessor ausgestattet, ist der MSX zum alten Dragon komplett inkompatibel. Im Juni wird ein 128 KByte Dragon Prototyp ausgeliefert, der sich aber nur in der Speicherbestückung vom alten Dragon unterscheidet.Im August wird bekanntgegeben, dass zwei neue Modelle erscheinen. Das erste ist der Dragon 200, ein Dragon 64 mit spanischer Tastatur, das zweite der Dragon 200E, ein 64er mit 80 Zeichen/Zeile Karte.
Im selben Monat erscheint der Dragon Plus (der 128Kbyte Dragon) zu einem Preis von £100. Mitte 1986 hört man plötzlich nur, dass einige Produktionsstätten geschlossen wurden und bis Dezember 1987 berichtet der Dragon User über keine weiteren Aktivitäten mehr. Aus der Dezemberausgabe erfährt man, dass zwischen November 1984 und Oktober 1985 nur 17.000 Dragons verkauft wurden und Eurohard sehr große Verluste einstecken musste. Eurohard leiht sich zwar Geld von Soviex, Planeta und TV3, aber zwischen Oktober 1985 und März 1987 findet ein großer Ausverkauf der Dragon Hardware statt. Im November 1985 schließt Eurohard seine Basis in Madrid, die Fabrik in Bercelona folgt im März 1986 und schließlich im Mai 1987 die Fabrik in Caceres. 1988 ist das schlimmste Jahr in der Geschichte der Dragons: John Symes, Eigentümer von Microdeal, gibt bekannt, dass sie keine weiteren Programme und Erweiterungen für den Dragon mehr herstellen. Im Januar erscheint die letzte Ausgabe des Dragon User. Momentan entwickeln noch einige Liebhaber des Dragon 32/64 Hard- und Software für diesen.