Der Videospiel-Knaller: PONG
Nolan Bushnell hat zwar mit Computer Space, welches er für Nutting Associates 1971 entwickelt hat, einem ziemlich großen Flop gelandet, aber zumindest ist das futuristisches Fiberglasgehäuse ein Hit. Das Spiel wird als Hintergrundrequisite in dem 70er-Jahre Kinofilm Soylent Green (1973) gezeigt. Aber trotz seines gefloppten ersten Produkts, bittet Nutting Associates Bushnell einen weiteren Versuch mit der Entwicklung eines weiteren Videospiels zu wagen. Als das Management seine Forderungen ablehnt, kündigt er, um seine eigene Firma zusammen mit seinem Partner Ted Dabney zu gründen.
Ihre Absicht ist es die Spiele zu entwerfen und diese von einer groĂźen Firma produzieren zu lassen. Ihr Startkapital beträgt US$ 250 von Bushnell und US$ 250 von Dabney, der erzielte Gewinn aus Computer Space. Sie taufen die neue Firma auf den Namen Syzygy, der in der Astronomie eine Winkelstellung darstellt, bei der Sonne, Erde und Mond oder einer der Planeten auf gleicher helio- bzw. geozentrischer ekliptikaler Länge stehen. Auf dem Computer Space Automaten taucht der Schriftzug „Designed by Syzygy“ schlieĂźlich auch auf. Gott sei dank war der Name bereits auf eine andere Firma, eine kerzenherstellende Hippie-Kommune, eingetragen. So entscheidet sich Bushnell letztendlich fĂĽr einen Namen aus dem Spiel GO, einem japanisches Brettspiel, das er gerne spielt. Atari ist gleichbedeutend mit einem Schach in diesem Spiel und ist auch der Name, den er fĂĽr die neue Firma wählt (es mag ironisch klingen, aber ein paar Jahre später setzt sich gerade diese Firma durch ein katastrophales Marketing Schachmatt).
Atari wird offiziell am 27. Juni 1972 von dem jetzt 27 Jahre alten Bushnell gegrĂĽndet. Das erste Spiel soll ein Autorennen werden und Al Alcorn, der Ingenieur den Ampex angestellt hat um Bushnell zu ersetzen, wird dazu gebracht nach Atari zu wechseln und es zu entwickeln. Aber Bushnell ändert seine Meinung und entscheidet, dass sie den Neuling Alcorn zuerst ein vereinfachtes Tennis-Spiel entwickeln lassen, bei dem der Spieler mit einem Schläger einen Ball ĂĽber den Bildschirm schlägt. Er ermuntert Alcorn, indem er ihm erzählt, dass seine Firma bereits einen Vertrag mit General Electric hat, um dieses Spiel zu vermarkten. Einen solchen Vertrag gibt es allerdings nicht. Obwohl Bushnell fĂĽr diese Zeit unmögliche Soundeffekte haben möchte, packt Alcorn Piepstöne in das Spiel, die damals schon als fertige Schaltkreise zu haben sind… und als Alcorn das Geräusch beschreibt, wenn der Ball den Schläger trifft, gibt er dem Spiel schon versehentlich seinen Namen: PONG. Das Innenleben ist fest verdrahtet. Es besitzt keine ROMs oder Mikroprozessoren. Der Kasten ist nur fĂĽr eine einzige Sache gebaut worden: Pong spielen. Bushnell stellt sicher, dass das Spiel mit nur einer Hand bedient werden kann, damit der Spieler mir der anderen Hand noch sein Bier halten kann. Nachdem viel ĂĽber die Geschwindigkeit des Balls und der Schläger diskutiert wurde, stellt Alcorn schlieĂźlich von diesem Gerät einen Prototyp her.
Die Anleitung fĂĽr das nächste weltbekannte Videospiel ist sagenhaft einfach: „AVOID MISSING BALL FOR HIGH SCORE“ („Verfehle nicht den Ball fĂĽr einen Highscore“). Jeder im Labor hat soviel SpaĂź beim Spielen, dass entscheiden wird, eine Vermarktung zu versuchen. Obwohl das Spiel als Meilenstein angesehen wird, plant Bushnell schnellstmöglich die Arbeit an Pong abzuschlieĂźen und ein „echtes“, komplexeres Spiel zu entwickeln. Er macht einen Ausflug nach Chicago und versucht dem Flipper-Giganten Bally das PONG Konzept zu verkaufen. Die Verantwortlichen von Bally machen den wohl größten Fehler in ihrer Unternehmensgeschichte, indem sie Bushnell abweisen, weil die das Potential, das in Videospielen steckt, total unterschätzen. So entscheiden Bushnell und Alcorn den Prototyp in einer Kneipe in Sunnyvale, Kalifornien, mit Namen Andy Capp’s Tavern zu testen. Später, noch am selben Abend, bekommt Alcorn einen zornigen Anruf vom Barkeeper, der ihm erzählt, sein Spiel sei defekt und er solle das verdammte Ding abholen („get the fucking thing out of there“). Als er in der Bar ankommt und das Gerät untersucht, stellt er fest, dass die Maschine deshalb nicht funktioniert, weil sie voller GeldstĂĽcke ist und keine weiteren mehr annehmen kann. 1979 wird dieser Ort, an dem der erste PONG Beta-Test stattfand, zu einem Comedy-Club mit Namen Rooster T. Feathers. An einer Wand weist noch eine Plakette auf diesen historischen Ort fĂĽr die Videospielgeschichte hin, auch wenn diese PONG fälschlicherweise als allererstes Arcade-Spiel bezeichnet.
Mit der Zuversicht, dass das Spiel ein Erfolg wird, entscheidet Bushnell, dass Atari den PONG Automaten selbst herstellt. Er mietet eine verlassene ca. 2.300qm groĂźe Rollschuhbahn in Santa Clara, Kalifornien, und stellt einige Dutzend ortsansässige Arbeiter ein. Ende 1972 entstehen bei Atari groĂźe, gelb-blaue PONG Automaten. Das Spiel ist ein Riesenerfolg: Jeder einzelne Automat erwirtschaftet US$ 300 pro Woche an Einnahmen, wo ein Flipper nur US$ 40 einbringt. Atari verkauft 8.500 Geräte in einem Jahr, in einer Zeitspanne, in der 2.000 verkaufte Flipper schon einen Erfolg darstellen. Die Produktionskosten eines PONG-Automaten betragen gerade einmal US$ 500 Dollar bei einem Verkaufspreis von US$ 1200. Das Spiel, das Bushnell noch als einen Schnellschuss plante, wird seine Firma fĂĽr die nächsten zwei Jahre tragen. Mit dem Erfolg kommt auch die Notwendigkeit eines Firmen-Logo. Der freischaffender KĂĽnstler George Opperman wird beauftragt, ein Logo zu erstellen. Es soll ein stilisiertes „A“ fĂĽr Atari darstellen, das Design spielt jedoch auch mit der Idee von zwei Spielern und einem PONG-Netz zwischen ihnen. Das Design wird bekannt als Atari Fuji, wahrscheinlich weil es an Japans berĂĽhmten Berg Mt. Fuji erinnert. Opperman leitet später die Grafikabteilung fĂĽr Atari Coin-Op-Division.
1973 beginnt ein Trend, der in diesem Industriezweig auch später noch fortgesetzt werden wird: Eine Überflutung des Markts mit Imitationen eines Erfolgsspiels. Buchstäblich dutzende von PONG-Klonen werden auf den Markt geworfen, unter den Herstellern befindet sich auch Nutting Associates, Bushnells alter Arbeitgeber.
Einige Variationen desselben Spielprinzips sind:
Eloping – Taito | Hockey TV – Sega | Paddle Ball – Williams |
Pong Tron – Sega | Pong Tron II – Sega | Pro Hockey – Taito |
Soccer – Taito | Super Soccer – Allied Leisure | Tennis Tourney – Allied Leisure |
TV Football – Chicago Coin | TV Ping Pong – Chicago Coin | TV Ping Pong – Amuntronics |
TV Table Tennis – PMC | TV Tennis – Chicago Coin | Winner – Midway |
Table Tennis – Nutting Associates |
Auch Atari ist nicht gerade kleinlich:
Dr. PONG | Pin PONG | PONG Cocktail |
PONG Doubles | Puppy PONG | Quadrapong |
Rebound | Spike | Super PONG |
Dieser Wettbewerb nagt so sehr an Dabney, dass er seine Hälfte der Firma an Bushnell verkauft. Atari ist jetzt klarer Marktführer und nimmt US$ 3,2 Millionen in diesem Jahr ein.
Zu einem größeren Wettbewerb kommt es mit dem Mitbewerber Kee Games, unter der Führung von Joe Keenan. Einige wichtige Atari Angestellte laufen zu Kee über, darunter der Atari Ingenieur Steve Bristow.
1974 bringt Kee Tank heraus, das von Bristow entwickelt wurde. Das Spielprinzip beruht auf zwei Panzer, die sich in einem Labyrinth gegenüber stehen, wobei sie verstreute Minen meiden müssen. Mit der Verwendung von ROMs betritt das Spiel neues technisches Terrain. Diese speichern die Grafiken, um detaillierte Bildschirmdarstellungen im Vergleich als die einfachen Klötzchen in PONG zu bekommen.
Tank wird der größte Hit des Jahres 1974. SchlieĂźlich wird bekannt, dass Kee eine geheime Tochtergesellschaft von Atari ist, gegrĂĽndet, um die Forderungen von Distributoren aus der Flipper-Ă„ra, die exklusiven Rechte an einem Spiel fordern, umgehen zu können. Der enorme Erfolg von Tank zerstört dieses Verhalten, da jeder Distributor im Spiel bleiben will. Kee und Atari ‚verschmelzen‘ wieder zu einer Firma, mit Joe Keenan als Präsident von Atari. Atari bringt drei Nachfolger zu Tank heraus, darunter UltraTank von 1977, bei dem ein Spieler gegen einen computergesteuerten Gegner spielen kann.
Unter dem Kee-Label werden u.a. folgende Spiele veröffentlicht:
Elimination – 1973 | Formula K – 1974 | Spike – 1974 | Twin Racer – 1974 |
Crossfire – 1975 | Indy 800 – 1975 | Tank II – 1975 | Flyball – 1976 |
Quiz Show – 1976 | Sprint II – 1976 | Tank 8 – 1976 | Drag Race – 1977 |
Sprint 8 – 1977 | Super Bug – 1977 | Ultra Tank – 1978 |
PONG fĂĽr daheim
1974 greift Atari die Vorschläge von Bob Brown und Harold Lee auf, eine Heimversion von PONG herzustellen, die an einem Fernseher angeschlossen werden kann. Lee, Brown und Alcorn entwickeln das System unter dem Codenamen Darlene, und starten damit eine lange Tradition die Systeme nach Vornamen von Mitarbeiterinnen zu benennen.
Die Einzelhändler sind aber noch kritisch wegen des Misserfolg von Magnavox’s Odyssey und somit bleibt das System in den Labors von Atari liegen. 1975 handeln sie einen Deal mit Sears Chefeinkäufer fĂĽr Sportartikel Tom Quinn aus, das System unter den Namen Sears Tele-Games zu verkaufen. Die Bestellung beläuft sich auf 150.000 StĂĽck. Bushnell hat nicht annähernd die Kapazität, so viele Geräte in der Zeit, wie Sears es verlangt, zu produzieren. So nimmt er von dem Spekulanten Don Valentine einen Kredit ĂĽber 10 Millionen US-Dollar auf, um weiter zu expandieren.
Weihnachten wird Atari’s US$ 100 Home-PONG Konsole Sears meist verkaufter Artikel. Es gibt Berichte, dass Personen auĂźerhalb der Läden Stunden warten, um ein Gerät zu ergattern. Und wieder einmal schwärmen Dutzende von Herstellern aus, diesmal mit einer Vielzahl von PONG Klonen. Fast alle Geräte basieren auf dem neuen AY 38500 „PONG-on-a-chip“ LSI (Large Scale Integration) Mikrochip von General Instruments, der 1975 auf den Markt kommt. Der Ansturm auf den Chips ist so groĂź, dass nur Coleco (Connecticut Leather Company) seine Lieferung rechtzeitig zur Weihnachtssaison 1976 bekommt. Der Verkauf des Telstar Systems erhöht den Gesamtumsatz der Firma um ganze 65 Prozent.
Bis 1975 erwirtschaftet Atari über 40 Millionen US-Dollar jährlich und zieht dabei die Aufmerksamkeit des Medienriesen Warner Communication auf sich. 1976 verkauft Nolan Bushnell Atari unter dem Druck von Valentine an Warner für 28 Millionen US-Dollar, mit Joe Keenan als Präsident sowie Bushnell als CEO und mit einer Abfindung von 16 Millionen US-Dollar. Mit dem neuen Kapital, startet Atari ein Projekt, das die Spielkonsolen revolutionieren wird. Es wird bald die Videospielindustrie prägen und den Namen Atari so allgegenwärtig wie Coke und Kleenex machen. Der Projektname lautet: Stella.