Level 6: Alles für die Familie

Während 1983 der nordamerikanische Markt für Videospiele einbricht, beginnt das japanische Unternehmen Nintendo, das zuvor mit Donkey Kong 1981 bekannt geworden ist, den Markt praktisch im Alleingang mit einer neuen Konsole wieder aufzubauen.

Nintendo tritt dem Spiel bei

In den frühen 1970er erfährt Nintendos Präsident Hiroshi Yamauchi von der neuen Videospieltechnologie, die sich gerade über Nordamerika ausbreitet. Die Magnavox Odyssey, die 1972 veröffentlicht wird, ist das erste Videospielesystem und 1974 lizenziert Nintendo diese Hardware, um sie in Japan zu verkaufen. Das Unternehmen beginnt auch damit, ein eigenes System zu entwickeln, aber aufgrund fehlenden technischen Know-Hows, um die Schaltkreise zu produzieren, benötigen sie eine Partnerschaft mit Mitsubishi.

Das erste Produkt dieser Zusammenarbeit ist das Color TV-Game 6, das 1977 auf den Markt kommt. Der unscheinbare, orangefarbene Kasten bietet drei unterschiedliche Varianten von Ataris PONG, Light-Tennis genannt, wobei jede Variante noch über einen Doppelmodus verfügt, was die Zahl der verfügbaren Spiele auf sechs erhöht. Ihm folgt im selben Jahr das Color TV-Game 15, mit mehr als doppelt so vielen Spielvarianten. Beide Geräte sind ein Erfolg für Nintendo und verkaufen sich ca. 1 Millionen Mal. Ein Rennspiel, zusammen mit einem Lenkrad, Schaltung und zwei Paddles für einen 2-Spieler-Modus, folgt 1978 unter dem Namen Color TV-Game Racing 112. An diesem Spiel arbeitete der junge Angestellte Shigeru Miyamoto, der 1977 bei Nintendo als Industrie-Design Absolvent eingestellt wurde. Sein erstes Projekt ist der Entwurf des Gehäuses für das Rennspiel.

Nintendo Block BreakerDas letzte Produkt in der Color TV-Game Serie ist Block Kusure (Breaker), das auf Ataris Breakout basiert. Als es 1979 veröffentlicht wird, ist es Nintendos erstes Gerät, das vollständig selbst entworfen wurde. Das Gehäusedesign ist wieder von Miyamoto. Während sich die ersten TV-Games gut verkaufen, brechen die Verkaufszahlen ab der Veröffentlichung von Block Kusure ständig weiter ein, woraufhin Yamauchi seine Hardwareentwickler anweist den nächsten Schritt zu wagen.

Game & Watch

Game & Watch Ball1980 beginnt Gunpei Yokois Forschung- und Entwicklungsabteilung (R&D1) damit Game & Watch, tragbare Mini-Spiele mit LCD, zu entwickeln. Yokoi hat die Idee zu einem kleinen, handlichen und portablen Mini-Spiel, als er eines Tages in einem Shinkansen (Anm. jap. Hochgeschwindigkeitszug) einen gelangweilten Geschäftsmann auf seinem Taschenrechner herumtippen sieht. Mit Hilfe eines Taschenrechnerchips von Sharp, veröffentlicht er 1980 das erste Game & Watch Spiel namens Ball. Auf dem LCD werden 72 Segmente dazu verwendet, schwarz-weiße Spielelemente ein- bzw. auszuschalten; bei Ball ist es die Silhouette einer Figur, von der der Spieler die Arme nach links oder rechte steuert, um Bälle in der Luft zu jonglieren.

Game & Watch Donkey KongIn späteren Spielen taucht eine Figur, bekannt unter Mr. Game & Watch, in verschiedenen Situationen immer wieder auf. Diese Spiele sind ein erstaunlicher Erfolg für Nintendo und ziehen mehrere Erweiterungen nach, wie z.B. die Gold-Serie mit einem einstellbaren Alarm, der Breitbild-Serie mit größerem Bildschirm und der Multi-Screen-Serie mit einem zusätzlichen Bildschirm im Deckel. Eines der Multi-Screen Spiele ist eine Umsetzung von Donkey Kong, das im Juni 1982 veröffentlicht wird. Donkey Kong Game & Watch ist insofern erwähnenswert, dass es Nintendos erstes Spielgerät mit einem D-Pad zur Steuerung ist, eine Innovation von Yokoi, die nachfolgend in fast jedem weiteren veröffentlichten Spiele System verwendet wird. Seine Innovation wird schließlich 2007 mit dem Emmy von der National Academy of Television Arts & Sciences in der Kategorie „Peripheral Development and Technological Impact of Video Game Controllers“ ausgezeichnet.

59 Game & Watch Titel werden veröffentlicht. Sie verkaufen sich über 12,87 Millionen Mal alleine in Japan und über 30,53 Millionen Mal in Übersee, was insgesamt 43,4 Millionen verkaufte Exemplare weltweit bedeutet. Der letzte veröffentlichte Titel ist Mario the Juggler im Jahr 1991.

Die nächste Stufe

Während die Game & Watch Spiele sich praktisch von ganz alleine verkaufen, möchte Yamauchi auf Yokois Erfolg aufbauen bevor die Verkäufe wieder nachlassen. So wendet er sich im November 1981 an Masayuki Uemura, dem Leiter von Nintendos R&D2 Abteilung. Uemura wird von Yamauchi beauftragt, eine neue Spielkonsole zu entwickeln. Diese Konsole soll dem Beispiel der aktuell führenden Systemen folgen und im Gegensatz zu den fest verdrahteten Color TV-Game Geräten Cartridges verwenden. Uemura wird ferner instruiert, dass das System günstig verkauft werden soll, so um 9.800 Yen oder US$ 75, um die Konkurrenz zu unterbieten. Die Konsole soll Mitte 1982 auf den Markt kommen und technisch soweit ausreichend sein, dass sie für ein paar Jahre auf dem Markt bestehen kann. Uemura darf auch nicht bei Sharp um Unterstützung bitten, da Yamauchi darum besorgt ist, dass diese ansonsten von der Arbeit an den lukrativen Game & Watch Spielen abgelenkt werden. Als er nach Ideen für sein neues System sucht, schaut sich Uemura die ColecoVision genauer an.

Coleco und Nintendo haben eine Menge gemeinsam. Beide starteten vor langer Zeit als Nischenunternehmen: Coleco 1932 als Hersteller von Lederwaren, Nintendo 1989 als Hersteller von Spielkarten. Beide begannen in den 1960ern Spielzeug zu produzieren und betraten den Videospielemarkt mit PONG Nachbauten in den später 1970ern. Beide sahen auch das Potential von Miyamotos Arcade-Spiel Donkey Kong, wobei Nintendo seine Zukunft in Amerika mit diesem Spiel sah und Coleco dieses dazu nutzte, seine Heimkonsole ColecoVision zu verkaufen.

Ein Prototyp dieser leistungsfähigen Konsole wird für eine Demonstration 1982 nach Kyoto gebracht, um so leichter an die Konsolenrechte für eine Umsetzung von Donkey Kong zu gelangen. Als die ColecoVision vom R&D2 Team untersucht wird, ist es fasziniert von der flüssigen Grafikdarstellung. Während Uemura durch den unglaublichen Erfolg des Atari VCS inspiriert und durch die fortgeschrittenen Grafikfähigkeiten der ColecoVision erstaunt ist, wissen er und sein R&D2 Team nun, um wie viel höher sie für ein eigenes System ansetzen müssen.

Ein paar Monate nach Yamauchis Anweisungen, nutzt Uemura eine Chance mit dem in Kyoto ansässigen Mikrochip Hersteller Ricoh in Kontakt zu treten. Diese stecken auch in einem Dilemma. Sie haben ein neues, modernes Halbleiterwerk, das aber nur zu 10% ausgelastet ist. Sie hoffen, dass Nintendo an ein paar Projekten arbeitet, die dazu führen, dass das Werk besser ausgenutzt wird. Während eines Besuchs in dem Werk, trifft Uemura auf einen alten Kollegen. Hiromitsu Yagi leitete das Entwickler-Team bei Mitsubishi, das mit der Entwicklung der Schaltung für das Color TV-Game beschäftigt war. Anschließend verließ er Mitsubishi für Ricoh und ist nun in leitender Position beim dem Mikrochip Hersteller als er Uemura über den Weg läuft.

Begeistert wirbt er bei Uemura darum Ricohs Chips für die neue Konsole einzusetzen. Das Problem ist nur, dass Uemura noch keine Spezifikationen für die CPU festgelegt hat und so wird als erster Maßstab festgelegt, dass die Arcade-Version von Donkey Kong darauf lauffähig sein soll. Um das zu erleichtern, empfehlen Yagi und Ricoh den 6502 Prozessor von MOS Technology, der in Amerika sehr verbreitet ist, aber in Japan praktisch unbekannt ist. Die Atari 2600 Konsole verwendet eine abgespeckte Version des 6502, die 6507, und ist ebenfalls im Atari 400/800 Computer und dem Apple II eingebaut. Uemura findet, dass mit dem 6502 das Nintendo-Projekt einige überzeugende Vorteile besitzt. Der Chip benötigt nur 1/4 der Fläche eines Zilog Z80 Prozessors, der bei Donkey Kong verwendet wird, und ist günstiger zu produzieren.

Am attraktivsten ist aber vermutlich die Tatsache, dass bisher in Japan kaum jemand etwas über den Chip weiß und dieses Yamauchis Anforderung erfüllen würde, dass das System technologisch für drei Jahre deiner Konkurrenz voraus wäre. Das ist aber ein zweischneidiges Schwert, denn während für den Z80 eine ganze Menge an Dokumentation bei Nintendo existiert, müssen sie die Entwicklungstools für den 6502 von Grund auf neu aufbauen. Ein weiteres Problem ist der Preis der CPU, droht dieser doch die Konsole deutlich zu verteuern.

Yamauchi instruiert Uemura eine unglaubliche Bestellung in Höhe von 3 Millionen Mikrochips bei Ricoh aufzugeben, um damit die Kosten pro Einheit deutlich zu reduzieren. Viele glauben, dass Nintendos Präsident einen Fehler begeht, da niemand glaubt, dass sie diese jemals benötigen werden. Ricoh stimmt dem Deal zu, eine Entscheidung, die dazu führt, dass Nintendo 1986 Ricohs größter Kunde für Mikrochips wird, mit einem Anteil zwischen 60-70% an der Produktion.

Codename Gamecom

Family ComputerMit einem Chip-Anbieter und einem festgelegten Ziel, kann die Entwicklung der Konsole unter dem Codenamen Gamecom fortgesetzt werden. Dem 6502 steht eine Picture Processing Unit (PPU) beiseite, welche die CPU von der Darstellung von Grafiken entlastet. Es sind 2 KByte interner RAM mit weiteren 2 KByte Video-RAM (VRAM) für die PPU vorhanden. Das System unterstützt bis zu 32 KByte ROM, später werden Memory Management Controller (MMC) Chips in die Cartridges eingebaut, um den Spielen mehr Speicher zur Verfügung zu stellen. Es können 24 aus einer Palette von 52 Farben gleichzeitig dargestellt werden. Weiterhin kann die Maschine 64 Sprites oder andere individuelle grafische Elemente darstellen, die der Programmierer zu größeren Elemente zusammen setzen kann. Die Bildschirmauflösung beträgt 256 x 240 Pixel, die über einen Antennenausgang dargestellt werden. In Konsolen, die später in Amerika und Europa verkauft werden, wird ein zusätzlicher Composite Video Ausgang hinzugefügt. Um die Spezifikation abzurunden, verfügt das System noch über einen 5-Kanal-Soundchip, der vom Komponisten Yukio Kaneoka erfunden wird. Das Gehäuse besitzt einen freundlichen Spielzeug-Look, komplett in weiß gehalten mit burgunderfarben Schaltern und Controllern in derselben Farbe. Die tief rote Farbe, die für die Konsole und alle dazugehörige Peripherie verwendet wird, ist von Hiroshi Yamauchi inspiriert worden, es ist seine Lieblingsfarbe.

Family Computer ControllerZwar liefern die 2600 und ColecoVision einiges an Inspiration zu dem neuen System, aber bei den Controllern nehmen die Entwickler Anleihen bei Mattel Intellivision und verwerfen die Konzepte der früheren Konsolen. Anstelle der runden Scheibe der Intellivision, verwenden die Ingenieure ein Steuerkreuz, wie es schon bei den Game & Watch Spielen eingesetzt wurde. Die Empfehlung ein D-Pad zu verwenden, kommt von einem Mitglied des neuen Entwicklerteams, Takao Sawano, bei Nintendo bereits seit 1972 angestellt. Er wird später noch an der Entwicklung eines Online-Netzwerks für das System mitwirken und auch noch bei der Entwicklung des Wii Balance Boards. Insgesamt soll das Design der Controller so sein, dass sie komfortabel für den Spieler zu halten sind und über zwei Aktionsknöpfe, die mit A und B beschriften sind, verfügen. Der erste Controller besitzt zusätzlich über einen Start und Select Knopf, die beim zweiten Controller fehlen, aber durch ein Mikrofon und Lautstärkeregler ersetzt werden. Das Mikrofon ist zwar eine interessante Idee, wird aber letztendlich nur in einer Handvoll Spielen verwendet. Die Controller sind leider fest mit dem Gerät verbunden, so dass diese nicht einfach ersetzt werden können.

Family Computer

Trotz Yamauchis Wunsch die Kosten des Geräts so günstig wie möglich zu halten, schleicht sich ein zusätzlicher Datenanschluss an die CPU in das Design ein, eine weitere Anleihe von der ColecoVision, der später als Expansionsport benutzt werden soll. Dieser Anschluss macht den Weg frei für zusätzliche Computer-Peripherie. Die Idee, dass eine Spielkonsole in einen Heimcomputer erweitert werden kann, ist immer noch ein gutes Argument bei der Entwicklung eines solchen Systems, obwohl gerade auch dieses das Ende des Videospielemarkts in Nordamerika heraufbeschworen hat.

Der japanische Markt ist aber sehr viel empfänglicher für Computer-Peripherie, die an eine Spielkonsole angeschlossen werden können, und so macht Nintendos Entscheidung Sinn angesichts der billigen PCs, die gerade in Japan auf den Markt kommen. Aus diesen Überlegungen heraus kommt Uemura auch auf den offiziellen Namen des Geräts: Family Computer. Der Name wird von den Mitarbeitern im Labor auf schon unvermeidlich auf Famicom verkürzt, woraufhin Uemuras Frau vorschlägt den verkürzten Namen als offizielle Bezeichnung zu verwenden. Davon ist Yamauchi nicht begeistert, er hält daran fest, dass der Name Family Computer keinen Zweifel daran lässt, wo und wie Nintendo das System beabsichtigt zu platzieren.

Yamauchi liegt damit wieder einmal richtig, wie die unzählige Peripherie, die schließlich für die Konsole produziert wird, beweist; darunter das Famicom BASIC Set, das in Japan 1984 veröffentlicht wird. Die Erweiterung ist eine Zusammenarbeit zwischen Nintendo, Sharp und dem Softwarehaus Hudson, die eine BASIC-Version unter dem Namen NS-HUBASIC oder Nintendo/Sharp-Hudson BASIC entwickeln. Das Set wird mir einem Keyboard in den Farben des Famicom geliefert, das in den Expansionsport vorne an dem Gerät gesteckt wird, zusammen mit einem Cartridge, das die Spracherweiterung beinhaltet. In Verbindung mit dem BASIC Set wird ein Kassettenrekorder verkauft, der an das Famicom angeschlossen werden kann, um so Daten auf Kassette speichern zu können. Mit dem Rekorder können einige Spiele ebenfalls Daten, wie Spielstände oder eigene Level, z.B. bei Excitebike und Wrecking Crew, speichern. Weitere Peripherie sind das Famicom 3D-System, das von Shigeru Miyamoto entwickelt wird und 1987 erscheint.

Family Computer Disk SystemDie bekannteste Erweiterung des Famicom ist das Family Computer Disk System, das Anfang 1986 in einem riesigen Gehäuse veröffentlicht wird. Es wird über einen RAM Adapter, der in den Cartridge-Port gesteckt wird, angeschlossen und bringt 32 KByte RAM mit. Das Diskettenlaufwerk kann außer über Netzspannung auch mit sechs Batterien betrieben werden. Es setzt proprietäre 2,8″ Disketten, sogenannte Disk Cards, ein, die jeweils 112 KByte speichern können. Die Idee ist, dieses System auch dafür zu verwenden, größere Spiele zu veröffentlichen, die dann weniger kosten als in einem Cartridge. Die Disk Cards sind auch beschreibbar und so können Spieler in einigen Fällen auch ihre Spielstände speichern.

Als Besonderheit können Anwender mit einer Disk Cards auch zu einem der Disk Writer Automaten gehen, die in verschiedenen Elektronik- und Spielzeugläden aufgestellt sind. Hier können sie aus neun verschiedenen Spielen wählen, die gegen eine geringe Gebühr auf der Card gespeichert werden können. Das Disk Writer System erweist sich als ziemlich langlebig, es wird erst 1993 von Nintendo eingestellt. Die Langlebigkeit des Systems beruht vermutlich auf dem Kostenfaktor: Ein Famicom Cartridge kostet um 5000 Yen, während eine leere Disk Card zusammen mit einem Spiel aus dem Automaten 2500 Yen kostet. Für das Schreiben eines einzelnen Spiels fallen nur 500 Yen an. Fast 5 Millionen Famicom Disk Systeme werden verkauft, allerdings ist das System nicht außerhalb von Japan erhältlich.

Die Famicom Konsole erscheint in Japan am  15. Juli 1983 (in Amerika ab dem 18. Oktober 1985 und Europa ab dem 1. September 1986), ein Jahr später als Yamauchi geplant hatte und auch der Preis von 14.000 Yen oder US$ 100 ist etwas höher als der ursprünglich veranschlagte Preis. Es kommt auf einem Markt, der von zahlreichen konkurrierenden Systemen, wie dem Atari VCS, der von Bandai lizenzierten Intellivision, der Epoch Cassette Vision und Segas SG-1000, bereits beherrscht wird. Segas SG-1000 erscheint am selben Tag wie das Famicom, hat aber später als weiter entwickeltes Sega Master System mehr Erfolg.

Zusammen mit Nintendos neuem System erscheinen nur drei Spiele in farbenfrohen Cartridges. Und wie es die Vorgabe verlangte, ist das Famicom in der Lage Donkey Kong auszuführen. Da die ursprüngliche Arcade-Version 48 KByte Speicher benötigt, musste es etwas verkleinert werden, um in den kleineren Speicher der Konsole zu passen. Donkey Kong Jr und Popeye sind die anderen beiden Titel. Auch mit dieser kleinen Bibliothek an Spielen schafft es die Konsole in den ersten Monaten 500.000 Mal verkauft zu werden. Dann kommt es zum Desaster. Nintendos Service Center wird mit als Defekt zurückgeschickten Famicoms geradezu überflutet. Kunden beklagen, dass Spiele unter bestimmten Voraussetzungen einfrieren und dass die einige Geräte kein Bild am Antennenausgang liefern. Defekte an den Controllern scheinen ebenfalls sehr häufig zu sein, so berichten Anwender, dass die Knöpfe A und B gerne einmal stecken bleiben, sehr zum Leidwesen der Designer, die diese für mindestens 1 Million Tastendrücke ausgelegt hatten und weiterhin lösen sich die Anschlusskabel von den Controllern. Das Management ist aufgrund der Rücksendungen aufgerüttelt und Gunpei Yokoi schlägt vor, dass sie sofort handeln. Es ist letztendlich Yamauchi, der entscheidet, dass alle Famicoms aus den Läden zur Reparatur zurückgerufen werden.

Es wird auf dem Mainboard eine unzureichende Kühlung behoben, die quadratischen Tasten auf den Controllern werden durch glattere, runde Tasten ersetzt und die Kabel auf der Rückseite der Controller werden verstärkt. Das Problem mit der Bildwiedergabe scheint ein Anwenderfehler zu sein, wie das Gerät an den Fernseher angeschlossen wird, aber der Prozess wird verfeinert, um ihn einfacher durchführen zu können. Nintendos schneller und entschiedener Schritt alle Konsolen auf einmal zu reparieren, mag zwar die Firma einiges an Zeit gekostet haben, aber es ist nicht zum Nachteil der Verkäufe. Insgesamt 2,5 Millionen Famicoms und 15 Millionen Cartridges werden innerhalb eines Jahres verkauft.

Die Spiele machen es!

Super Mario CartridgeDie Nachfrage nach neuen Spielen ist so hoch, dass die Entwickler alle drei Monate ein neues Spiel veröffentlichen müssen. Yamauchi handverliest jedes einzelne Spiel bevor es veröffentlicht wird und bekommt schon bald den Ruf die Fähigkeit zu besitzen erfolgreiche Spiele herauszusuchen. Er sorgt auch dafür, dass die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen selbst bestimmen, welche Spieltypen entwickelt werden und hält das Marketing heraus. Um mit der hohen Nachfrage Schritt zu halten, wird Shigeru Miyamoto Leiter der neuen R&D4 Gruppe, die Spiele für das Famicom entwickeln soll. Er veröffentlicht schließlich gegen Ende 1985 etwas, was zum wichtigsten Spiel für dieses System werden soll, eine Fortsetzung des Spiels Mario Bros unter dem Namen Super Mario Bros. Die erstaunliche Anzahl von über 6,81 Millionen Exemplaren werden von diesem Spiel schließlich in Japan verkauft und für die meisten Anwender wird es zu einem unverzichtbaren Spiel.

Auch wenn die Spieleentwicklung auf Hochtouren läuft, findet Nintendo immer noch, dass sie die Nachfrage nicht befriedigen können und so schaffen sie ein Lizenzprogramm, mit dem Dritthersteller Spiele für das Famicom entwickeln können. Die Lizenz Spiele zu produzieren gleich einer Lizenz Geld zu drucken, die Bedingungen sind allerdings brutal. Nintendo verlangt eine 20% Abgabe von jedem verkauften Spiel und da sie die Cartridges selbst produzieren noch einmal eine Herstellungsgebühr von US$ 14 pro Cartridge, das Nintendo aber selbst nur US$ 7 kostet. Der Lizenznehmer ist verpflichtet mindestens 10.000 Spiele per Vorauskasse zu bestellen. Es können nur fünf Spiele pro Jahr produziert werden und diese dürfen für zwei Jahre beginnend ab Erstverkauf nicht auf einem konkurrierenden System veröffentlicht werden. Auch zu diesen Bedingungen, die verhindern sollen, dass ein Überangebot an schlechten Spielen produziert wird, werden letztendlich 17 Unternehmen lizenziert, um Spiele für das Famicom zu produzieren.

Es werden schließlich 15,2 Millionen Geräte mit 183 Millionen Cartridges verkauft. Das Gerät wird so sehr nachgefragt, dass bis 1989 jeder zweite Haushalt in Japan eines besitzt. Zählt man die späteren Verkäufe des NES weltweit hinzu, werden 60 Millionen Konsolen mit Hunderte von Millionen an Cartridges verkauft. 1993 wird eine Weiterentwicklung der Konsole veröffentlicht, die ein neues Gehäuse und eine Composite Video Ausgabe bietet. Die Konsole wird AV Famicom genannt, wobei AV für „Adult Video“ steht. Beim Redesign werden auch das Mikrofon und der Lautstärkeregler im zweiten Controller fallen gelassen. Das Famicom dominiert den Videospielemarkt in Japan bis es von Nintendo offiziell 2003, 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung, eingestellt wird. Auch wenn er vermutlich nie damit gespielt hat, wusste Nintendos Präsident schon nach zwei Jahren, dass durch die Veröffentlichung des Famicom die Zukunft seines Unternehmen die Videospiele sein werden. Und nicht von einer Expansion zurückschreckend, richtet er seine Augen Richtung Amerika.

Obwohl Mitte der 80er Jahre der Markt für Videospiele zusammenbricht, blickt Yamauchi unbeeindruckt davon auf den nordamerikanischen Markt und besteht darauf, das Famicom unter den Namen Nintendo Entertainment System (NES) dort zu verkaufen. Das System wiederbelebte, quasi im Alleingang, die zusammengebrochene Videospiele-Industrie. Nach 55 Jahren an der Spitze von Nintendo, wird Yamauchi als Nintendo-Präsident im Jahr 2002 von Satoru Iwata abgelöst. Er blieb bis zu seinem Tod im Alter von 85 Jahren der größte Einzelaktionär des Unternehmens. Unter seiner Leitung wird Nintendo zum global dominierenden Videospiel-Unternehmen. Am 19. September 2013 verstirbt Hiroshi Yamauchi nach Komplikationen, ausgelöst durch eine Lungenentzündung.

Danksagungen & Links
Einige Bilder und Informationen stammten aus folgenden Quellen:

Press release: National Television Academy Announces Emmy Winning Achievments
Famicom World | Famicom Disk System (FDS) – famicomworld.com/system/FDS/
Anipedia, “Nintendo Color TV Game 6″ – anipedia.wikispaces.com/Nintendo+Color+TV+Game+6
Kotaku, “Nintendo’s First Console Is One You’ve Never Played”, by Luke Plunkett Mar. 25 2011
Gamester 81, “History of Consoles: Nintendo’s Color TV Game Consoles (1977 – 1979)”, by Gamester81, Jul. 5 2012
NinDB, “Color TV Game” The Nintendo Wiki, “Color TV Block Kusure”
Club Nintendo, Iwata Asks, “Game & Watch: When Developers Did Everything”, by Satoru Iwata, April 2010
beforemario, “Nintendo Color TV-Game 6, 1977″, by Erik V, Apr. 9 2011
The History of Nintendo: 1889 – 1980, by Florent Gorges and Isao Yamazaki – www.amazon.ca/dp/2918272159
beforemario, “Nintendo Color TV-Game 15, 1977″, by Erik V, Jan. 22, 2012
Electronic Games, “Rise To The Top With Coin-Op Climbing Games”, pg. 52, Jan 1983
Iwata Asks, “Super Mario Bros. 25th Anniversary”, by Satoru Iwata
GlitterVerri’s Game Translations, “How the Famicom Was Born”, from Nikkei Electronics magazine, translations by Masaharu Takano, original articles 1994 – 1995
Nintendo Entertainment System Documentation, V. 1.0, by Patrick Diskin Aug. 2004
Nikkei Trendy Net, “How the NES was born”, Mar. 10, 2008
CyberiaPC.com, “Nintendo Famicom/NES
Kotaku, “Report: Nintendo Didn’t Make the Famicom Red Because It Was Cheap”, by Brian Ashcraft, May 1 2013
Official Nintendo Magazine, “8 amazing Nintendo facts and secrets, Nintendo’s experiments with 3D”, by Marc Zablotny, Jun. 1 2013
chrismcovell.com, “Japanese Secrets!, Famicom Disk System hardware…”

Bilder: Evan-Amos (CC-BY-SA), Color TV Game Block Breaker, Famicom controllers, Nintendo Famicom mit Disk System

Kool-Aid Man - 1983 Mattel

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