Der Spielwahn beginnt
Schon kurz nach der Veröffentlichung von Tank unter dem Kee-Label 1974, produziert Atari 1975 unter einem Pseudonym ein neues Spiel Shark Jaws. Es ist das erste Spiel, das animierte Charaktere einsetzt. Die Umsetzung läuft auf einer modifizierten Tank Hardware. Der Hersteller ist Horror Games, gegründet von Atari, um möglichen rechtlichen Ärger von dem offensichtlichen Ideenlieferanten zu diesem Spiel, den Universal Studios mit ihrem Kinohit Jaws aus demselben Jahr, zu umgehen. Es ist ihr erste und einzige Veröffentlichung. Es werden sogar Prospekte an mögliche Käufer verteilt, die diesen empfehlen „in den hohen Bekanntheitsgrad, das Interesse und den möglichen Profit, der mit Haien verbunden ist“ zu investieren. Was sind auch schon ein paar verstümmelte Schwimmer gegen die hohen Gewinnerwartungen? Möchte man den Zusammenhang zwischen JAWS und Shark Jaws leugnen, hilft es auch nicht gerade, wenn sich der Schriftzug „Shark“ in winzigen Buchstaben neben einem riesigen JAWS auf dem Gerät befindet. In dem Spiel steuert der Spieler einen Taucher, der mit einem Speer versuchen muss kleinere Fische aufzuspießen, die auf dem Bildschirm herum schwimmen. Ihm auf den Fersen ist ein größerer Fish, ein Hai, den diese Jagt vorzeitig beenden möchte. Bushnell und Atari schwimmen unbehelligt durch dieses blutige Wasser von Urheberrechtsverletzungen: Universal beißt nicht zurück.
Shark Jaws ist eine der Variationen, die auf der Welle von Spielbergs Hai schwimmen, darunter befinden sich auch Shark von U.S. Billiards, Maneater von PSE, Blue Shark von Midway und Shark Attack von Pacific Novelty. Apollo, ein Hersteller, der für Ataris spätere Heimvideospielkonsole noch VCS entwickeln wird, kommt 1983 in die Schussbahn der Anwälte von Universal Pictures. Sie sind gezwungen, den Namen eines ihrer Spiele, Lochjaw, zu ändern. Es wird schließlich in Shark Attack umbenannt, wobei Pacific Novelty sich ruhig verhält, offenbar um nicht zu viel Aufmerksam auf sich zu ziehen.
Hände hoch!
In dieser Zeit fangen andere Firmen an die Videospiele ernst zu nehmen, unter anderem Midway Mfg. Corp. aus Chicago, Illinois, eine Abteilung der Bally Manufacturing, ein großer Hersteller von Flipper und Münzspielautomaten. 1975 produzieren sie Gun Fight.
Es ist ihr erstes Spiel und das erste Spiel mit einem Mikroprozessor. Mit einer Intel 8080 CPU erlaubt es einen abwechslungsreicheren und zufälligeren Spielablauf. In diesem Fall kann, wenn die zwei Pistolenhelden über eine mit Kakteen übersäte Straße laufen und zudem noch ein Wagen die Straße entlang fährt, der Computerspieler zufälliger agieren, und bietet so für den Spieler eine größere Herausforderung.
Es wird ursprünglich von der japanischen Spielefirma Taito unter dem Namen Western Gun hergestellt. Der Entwickler ist Tomohiro Nishikado, der auch in den kommenden Jahren noch Spiele entwickeln wird, u.a. Space Invaders. Obwohl grafisch recht spärlich, ist das Interessanteste an Western Gun die detaillierte Darstellung der beiden Cowboys.
Wie bei jedem anderen Spiel zuvor auch, werden noch TTL Bausteine zur Steuerung eingesetzt. Midway erwirbt die Rechte an dem Spiel, womit es das erste lizenzierte Spiel aus Japan zur Vermarktung in den USA wird. Vertragsnehmer von Midway ist Dave Nutting mit seinem Consulting Unternehmen Nutting Associates.
Dave Nutting und sein Kollege Tom McHugh entscheiden sich dafür, auf die fest verdrahtete Logik in Western Gun zu verzichten und anstelle das Spiel mit Intels kürzlich entwickelten 4-Bit Mikroprozessor neu zu entwerfen. Die beiden verewigen sich zudem in der Videospielgeschichte durch das 1876 erscheinende, ebenfalls bahnbrechende, Sea Wolf für Midway und 1981 mit Wizard of War.
1977 erscheint von Midway eine Fortsetzung zu Gun Fight: Boot Hill. Das Spielprinzip ist ähnlich zu dem des Originals, mit ein paar mehr grafischen Details und zusätzlicher Musik, vor einem farbenfrohen Hintergrund. Atari veröffentlicht zwei Versionen unter dem Namen Outlaw basierend auf diesem Konzept: Eine Automatenversion von 1976, bei der die Spieler mit einer Lichtpistole auf den Bildschirm schießen und eine für das Atari VCS/2600, die mehr an dem Original angelehnt ist und 1979 von David Crane portiert wird. Im Oktober 2012 erscheint Outlaw auch in Apples iTunes für das iPhone bzw. iPad. Es wird von Atari vertrieben und entwickelt von Flying Wisdom Studios.
Der erste alarmierende Aufschrei
Zwischen 1971 und 1973 werden 30 Arcadespiele von 11 Herstellern produziert. Von 1974 bis 1975 sind es 57 Spiele. Und 1976 erreichen alleine 53 Spiele von 15 Herstellern den Markt. Die meisten von ihnen sind PONG Nachbauten, darunter auch TV Pinball aus dem Jahr 1975 von Exidy, gegründet 1973 von H.R. „Pete“ Kauffmann. Exidy, dessen Name sich aus „Excellence in Dynamics“ zusammensetzt, hat seinen Firmensitz in Mountain View in Kalifornien.
Es ist Exidys Death Race, vom Spieleentwickler Howell Ivy programmiert, das eine erste kontroverse Diskussion über die Gewalt in Videospielen hervorruft. Es wird in dem Händler Magazin Play Meter als das am meist morbide Videospiel bezeichnet. Die Vorlage zu dem Spiel liefert der Film Death Race 2000 vom König der B-Movies Roger Corman, der ein Jahr zuvor in die Kinos kam. Während der Entwicklungsphase noch unter dem Namen Pedestrian (Fußgänger) bekannt, scheint es äußerlich einem anderen Spiel von Exidy zu gleichen, welches ein Jahr zuvor entwickelt wurde, Destruction Derby.
In dem ersten Spiel, fährt ein Spieler durch eine Arena in andere Autos. Exidy verkauft die Rechte an Destruction Derby an eine Unterhaltungsfirma Chicago Coin, ein Unternehmen, das kurz vor der Insolvenz steht. Nachdem das Spiel unter dem Namen Destruction Derby veröffentlicht wurde, ist Chicago Coin nicht in der Lage Exidy entsprechend zu bezahlen. Um ihre Investitionen in das Spiel wieder hereinzuholen, modifiziert es Ivy schnell und so kommt es letztlich als Death Race auf dem Markt. In dem neuen Spiel muss der Spieler in maximal 99 Sekunden ein Auto über ein Spielfeld steuern und fliehende Kreaturen jagen, die in der Spielanleitung als Skelette und Gremlins bezeichnet werden. Diese menschlich wirkende Kreaturen bewegen sich recht schnell über den Bildschirm, wobei sie schnelle Hacken schlagen, was dazu führt, dass man als Fahrer recht schnell frustriert ist. Der einzig sichere Platz für die Fußgänger ist der dünne Streifen an der Seite des Bildschirms. Zwei Lenkräder am Automaten erlauben das gemeinsame Jagen mit zwei Fahrzeugen. Das Spiel verbreitet mit seinem Artwork von Pat „Sleepy“ Peak auf dem Gehäuse eine gruselige Atmosphäre. Wenn eine der kleinen Kreaturen überfahren wird, schreit sie kurz auf und es wird ein Kreuz dargestellt, das wiederum ein Hindernis für den Spieler darstellt.
Der Aufschrei der Öffentlichkeit ist fast genauso laut, wie die elektronischen Schreie der „Gremlins“, wenn sie gerade überfahren werden. Aus diesem Grund brandmarkt das National Safety Council das Spiel als „krank, krank, krank“. Einige Spielhallen lehnen es ab Death Race zu kaufen, aber das hat weniger mit Moral zu tun, als aufgrund der Tatsache, dass die einzelnen Geräte um die 1700 bis 1800 US$ kosten. Aufgrund des wachsenden Drucks von Elterngruppen, die überall, aber nicht bei sich selber, nach einem einfachen Grund suchen, weshalb ihre Kinder so eigensinnig sind, wird das Spiel schließlich nach sechs Monaten vom Markt genommen. Es ist mit über 1000 verkauften Geräten Exidys best verkauftes Spiel. Unbemerkt wiederveröffentlichen sie das Spiel im darauf folgenden Jahr unter dem Namen Death Race 98. Die öffentliche Meinung zu dem Thema wird darüber hinaus noch durch die Berichterstattung in den Medien angeheizt, darunter auch durch das TV-Magazin „60 Minutes“. Die Weekly World News, normalerweise eine Bastion des Unterstatements, warnt in der Ausgabe vom 6. Oktober 1981, dass die Begeisterung an Videospielen, die über Amerika wie eine Seuche hinwegfegt, eine lähmende und hypothetische Sucht hervorrufen könne und der geistigen Gesundheit eines Kindes schade. Im Herbst 1982 auf einem Kongress an der Universität von Pittsburgh über Gewalt in der Familie, bezeichnet U.S. Surgeon General C. Everett Koop Videospiele als einen der Hauptgründe für familiäre Gewalt, zusammen mit Gewalt im Fernsehen und schlechten ökonomischen Verhältnissen. Zumindest stellt er eines richtig: Am nächsten Tag geht er noch einmal auf diese Behauptungen ein und gibt zu, dass die nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und dass seine Äußerungen nicht so verstanden werden sollen, dass Videospiele grundsätzlich gewalttätig oder schädlich für Kinder seien.
Natürlich haben wir jetzt detaillierte Darstellungen von Personen, die in Mortal Kombat buchstäblich zerfetzt werden und obwohl viele Spieler Death Race regelmäßig gespielt haben, sind sie nicht zu wahnsinnige Massenmördern geworden. Vermutlich auch, weil sie zu sehr damit beschäftigt waren, nicht an den Kreuzen hängenzubleiben, als darüber zu phantasieren, in ein Auto zu springen und unschuldige Fußgänger zu überfahren.
Trotzdem: Unerschrocken von der schlechten Werbung und den nur 500 gebauten Automaten, bringt Exidy mit Super Death Race im folgenden Jahr einen Nachfolger auf den Markt. Dieser ist, was die Gewaltdarstellungen angeht, etwas entschärft: Die Opfer sind bereits tot und der Spieler jagt mit seinem Wagen Geister und Skelette über das Spielfeld. In der 1990 von American Game vorgestellten Version von Death Race für das NES, sind die Straßen mit rotem Blut überseht. 1997 erscheint mit Carmaggedon aus der britischen Softwareschmiede SCi eine graphisch sehr viel detaillierte Version von Death Race 2000, diesmal fast ohne Protest. Fahrzeugschlachten und Chaos? Es gibt auch hierfür eine App, seitdem Carmageddon von Stainless Games im iTunes-Store für iOS-Geräte im Oktober 2012 erschien.
Exidy fährt damit fort sich einen festen Anteil des Videospielemarkts zu sichern, mit Spielen wie Venture, Mousetrap, Targ und einer kompletten Serie von Lichtpistolenspielen wie Cheyenne und Combat. Unter den Spielen befindet sich auch das blutige und sadistische Chiller aus dem Jahr 1986, das 1976 vermutlich höchste Aufregung erzeugt hätte.
Schließlich versucht das Unternehmen mit dem Exidy Sorcerer auf der ersten Welle der gerade erscheinenden Heimcomputer mitzuschwimmen. Der Computer wird Anfang 1978 angekündigt und im April 1978 auf der PERCOMP Long Beach Computer Show vorgestellt. Die Idee zu dieser Maschine kommt von Paul Terrell, dem Grüner einer Kette von Computer-Shops mit Namen The Byte Shop. Als sich Terrell von der Kette trennt, überzeugt er den Inhaber von Exidy, H.R. „Pete“ Kauffmann, und seine Techniker davon ein Gerät für den gerade einstehenden Heimcomputermarkt zu entwerfen. Das Gerät wird von Howell Ivy entworfen. Der Sorcerer ist mit einer 2MHz Zilog Z80 CPU ausgestattet und kann bis auf 32 KByte erweitert werden. Durch ein separates Modul können hunderte von Karten für den S-100 Bus verwendet werden. Es ist auch ein Slot für Cartridges vorhanden, mit dem Spiele und BASIC geladen werden können. Drei Cartridges werden mit dem System mitgeliefert: Eine Textverarbeitung, eine Assembler und Microsoft 8K BASIC, wodurch Exidy zu einem der ersten Lizenznehmer von Microsoft Produkten wird. Neben anderen Innovationen, verfügt der Sorcerer über einen programmierbaren Zeichensatz, der das System sehr populär in Europa macht aufgrund der verwendeten Sonderzeichen. Da der Sorcerer auf dem amerikanischen Markt keinen richtigen Erfolg hat, wird er, nachdem Exidy 1980 schließlich insolvent ist, von seinem europäischen Distributor CompuData, später bekannt als Tulip Computers, verkauft.
Blockbuster
1974 wird Steve Jobs, nachdem er das Reed College in Oregon aufgegeben hatte, Ataris 40ster Angestellter für US$ 5 in der Stunde in der Produktionsstätte in Los Gatos, Kalifornien. Es ist sein Job das Design der Spiele, die aus der Entwicklungsabteilung in Grass Valley kommen, weiter zu verfeinern. Unterstützt durch einen von Atari gesponserten Telefonanschluss, verbringt Jobs einige Monate in Indien, um mehr über die östlichen Weisheiten und deren Philosophie zu erfahren. Als Jobs nach Atari zurückkehrt, schleust er nach der Arbeit seinen guten Freund Steve Wozniak in die Fabrik ein, wo sie stundenlang an den Automaten spielen.
Als Wozniak zum ersten Mal einen PONG Automaten sieht, ist er von dem Spiel wie gebannt und entwirft sich einen eigenen PONG Automaten, der einen von vier recht fragwürdigen Ausdrücken, wie „DAMN IT“ und „OH SHIT“ auf dem Bildschirm ausgibt, wenn der Ball verfehlt wird. Er fügt aber einen Schalter hinzu, der es erlaubt die Kraftausdrücke auch auszuschalten.
1976 bietet Nolan Bushnell dem jungen Jobs über US$ 750, damit er die Hardware für Breakout, eine andere Variation von Bushnells PONG, zusammenbaut. Aber anstelle den Ball nur hin- und her zu schlagen, muss der Ball Steine aus einer Wand am oberen Bildschirmrand schlagen. Das Spiel verwendet einen einfachen s/w-Bildschirm und benutzt Overlay-Schablonen um Farbe ins Spiel zu bringen. Gesteuert wird der Schläger über ein Paddle. Die eigentliche Herausforderung liegt aber darin, die Anzahl der verwendeten Bauelemente zu reduzieren, um dadurch auch die Herstellungskosten massiv zu drücken.
Bushnell verspricht Jobs eine Prämie von weiteren US$ 100 für jeden Chip, der vom ursprünglichen Design nicht mehr benötigt wird. Selbst wenn er kein so großer Ingenieur oder Programmierer ist, verspricht Jobs das Spiel innerhalb von vier Tagen fertigzustellen. Wozniak ist sein „Trumpf im Ärmel“, der die Maschine letztendlich baut. In vier aufeinanderfolgenden Nächten, baut er die Hardware zusammen und geht tagsüber weiterhin seinen Job bei Hewlett-Packard nach. Sie halten die vier Tage ein und Woz reduziert die Anzahl der benötigten Chips auf gerade einmal 45, d.h. sein Entwurf spart ganze 50 Chips ein. Jobs erhält sein Geld und gibt damit auch den Ton für ihre spätere Zusammenarbeit vor: Jobs erzählt seinen Freund, dass der Lohn für das Spiel gerade mal US$ 750 betragen hat und gibt Wozniak einen 50:50 Anteil von US$ 375. Die US$ 5000 Prämie erwähnt er nicht. Zudem streicht er später den ganzen Ruhm ein, als Breakout ein Riesenhit für Atari mit über 15.000 verkauften Automaten wird.
Aber Woz erhält weit mehr als die paar Dollar für Breakout. Zum Beispiel, als er eines Abends Techniker dabei beobachtet, wie sie die Overlays auf dem Breakout Bildschirm montieren, um Farbe zu simulieren, beginnt er darüber nachzudenken, wie der Computer selbst die Farben generieren könnte. Die Art und Weise, wie er später in seinen Entwürfen Farbe in die Welt der Personalcomputer bringt, beruht auf seiner Arbeit an dem Arcade-Spiel und seiner generellen Liebe zu Spielen. Durch seine Arbeit an dem Videospiel, bringt er später Farbe in die Welt der Personalcomputer. Die Arbeit an Breakout gibt ihm einen wertvollen Einblick in das Logikdesign und die Verbindung mit einem entsprechendem TV-Signal. Er benutzt auch eine eigene BASIC-Version, um eine Computerausgabe von Breakout zu programmieren. Er ist verblüfft, wie leistungsfähig und nützlich eine Software für die Erschaffung eines Spiels ist. Woz unglaublich schlankes Design für Breakout verblüfft die Atari Ingenieure und es müssen schließlich sogar wieder einige Chips hinzugefügt werden, damit es letztendlich auch produziert werden kann.
Später tritt Jobs mit der Idee an seinen Boss Bushnell heran, dass Atari einen Personalcomputer bauen könne. Die beiden jungen Angestellten gehen sogar so weit, dass sie ihr System in Al Alcorns Haus demonstrieren. Mit dem neuen Home-PONG und bereits abzeichnenden finanziellen Problemen auf dem Tisch, reicht Bushnell das Projekt weiter und schickt Jobs zu dem bekannten Risikokapitalvermittler Don Valentine im Silicon Valley, der diese zu Mike Markkula weiter schickt. Kurz darauf verlässt Jobs Atari und macht sich selbst daran an einem Computer herumzubasteln, was schließlich in einem Prototyp endet, den Woz und Jobs unter dem Namen ihrer neu gegründeten Firma Apple Computer Company bauen.
Schließlich wird Atari im Wettbewerb mit dem Unternehmen stehen, das sie sich durch die Lappen haben gehen lassen, als sie 1979 ihre Heimcomputersysteme Atari 400 und Atari 800 veröffentlichen. 1978 bringt Atari einen Nachfolger unter dem Namen Super Breakout heraus, der noch trickreichere Aufbauten und schnellere Action bietet. Es ist diese Serie, an dem sich Ataris Spieledesigner Ed Logg die Zähne ausbeißt. Beide Spiele werden selbstverständlich auch auf Ataris legendäres VCS portiert, aber aufgrund der extremen Beschränkungen dieses Systems, werden noch nicht einmal einzelne Steine auf dem Bildschirm angezeigt und der Spieler muss die Blöcke aus farbigen Linien herausschlagen. Weitere Versionen werden für Ataris andere Spielsysteme und Heimcomputer portiert. 1998 erscheint von Telegames eine extrem aufgemöbelte Variante dieses Spiels unter dem Namen Super Breakout 2000 für Ataris 64Bit-Konsole Jaguar.
Jetzt wird es mathematisch – Vektoren
Der PONG-Klone Produzent Cinematronics aus El Cajon in Kalifornien beabsichtigt 1977 eine neue Videospiel-Technologie, die Vektor- anstelle von Pixelgrafiken benutzt, mit Space Wars einzuführen. Das Unternehmen wurde 1975 von Jim Pierce, zusammen mit Dennis Parte und Gary Garrison, gegründet, wobei die letzteren beide schließlich von ‚Papa‘ Tom Stroud ausbezahlt werden. Der Titel des neuen Spiels bildet sich aus den beiden Vorbildern Spacewar! und der aktuellen Kinosensation Star Wars.
Das Spiel wird von Larry Rosenthal entwickelt und basiert auf Spacewar!, das von seinem MIT Kommilitonen Stephen Russell Anfang der 60er Jahre für eine Mainframe geschrieben wurde. Seinen ersten Kontakt mit diesem Spiel bekam er als Studienanfänger auf dem MIT Campus 1968. Später baut er seine eigene Version mit einem Vektor-Bildschirm und stellt das Spiel in einer Spielhalle nahe des Berkley Campus auf. Im Unterschied zu den üblichen Rastergrafiken, zeichnet ein Spiel mit Vektorgrafiken gestochen scharfe Linien auf den Bildschirm. Rosenthal bietet dieses System zahlreichen Herstellern für eine schon unverschämte Gewinnbeteiligung von 50% an. Unter diesen befindet sich auch Atari, die ihn aber abweisen, möglicherweise aufgrund des Fiaskos mit Bushnells eigener Computer Space Umsetzung Computer Space. Hungrig nach neuen, originellen Spielen, greift schließlich Cinematronics zu. Später werden sie es aber noch bereuen, dass sie Rosenthal erlauben, die Eigentumsrechte an der Technologie zu behalten. Dem Motiv von Spacewar! folgend, stehen sich zwei Raumschiffe, jedes bewaffnet mit 18 Raketen, um eine Sonne herum gegenüber (das eine besitzt die original Keilform, das andere sieht der Enterprise von Star Trek ziemlich ähnlich) und feuern aufeinander. Ein schönes Detail ist der Asteroid, der langsam über das Spielfeld treibt; dieses und der vorhandene „Hyperspace“ Knopf lässt einen fragen, wie viele Angestellte von Atari das Spiel wohl gespielt haben mögen.
Space Wars ist auch deshalb so einzigartig, da es dem Spieler erlaubt über 250 Spieloptionen einzustellen, darunter solche wie die Schiffsgeschwindigkeit, Munitionsmenge, das Vorhandensein des zentralen Sterns und seiner Gravitationsstärke. Es verfügt auch über zahlreiche Steuerknöpfe, die erst später durch Defender noch übertroffen werden. Es gibt auch eine Schadenskontrolle, welche die Leistung eines Schiffs reduziert, wenn es getroffen wurde. Der große Automat bietet genug Platz, dass zwei Spieler nebeneinander stehen können und sogar noch etwas Platz zwischen diesen ist, aber er muss hinten extra beschwert werden, damit er nicht nach vorne kippt und die Spieler verletzt. Space Wars bietet Mann gegen Mann Gefechte nicht nur als Option, sondern fordert diese regelrecht, da es keinen Einzelspielermodus gibt. Da der Markt für Computerspiele sich seit Bushnells Computer Space inzwischen weiterentwickelt hat, wird Space Wars mit über 30.000 verkauften Automaten ein riesiger Erfolg für Cinematronics und steht für über drei Jahre in der Top-10 der ertragreichsten Automatenspiele.
Während sich das Management noch an der 50:50 Aufteilung der Gewinne durch Space Wars reibt, wird Larry Rosenthal vom Vertriebsleiter Bill Cravens davon überzeugt Cinematronics zu verlassen und sein eigenes Unternehmen zu gründen mit Cravens als Präsident. Rosenthal nimmt seine gesamte Technologie und Hardwaredokumentation mit und gründet VectorBeam in Sunnyvale, Kalifornien. Nachdem er sein eigenes konkurrierendes Space Wars unter dem Namen Space War produziert hatte, entwirft er das 1977 veröffentlichte Vektorspiel Speed Freak.
Auch wenn es nicht das erste „First-Person“-Rennspiel ist (diese Ehre gebührt Night Driver, das ein Jahr früher von Atari herausgebracht wurde), ist es trotzdem eine herausragende Produktion.
Speed Freak bietet die bisher realistischste Fahrsimulation. Es erlaubt ein Auto eine kurvenreiche Straße entlangzufahren, wobei man versuchen muss dem entgegenkommenden Verkehr und verschiedenen Hindernissen, wie Trampern und einigen launischen Kühen, auszuweichen. Es gibt auch eine Getriebeschaltung mit vier Gängen und wenn der Spieler mit einem anderen Auto kollidiert, gibt es eine spektakuläre Explosion mit wegfliegenden Karosserieteilen. Leider werden nur 700-800 Stück hergestellt und so „fährt“ Speed Freak in die Vergessenheit. Die super-sensitive Lenkung und die doch sehr begrenzte Grafik des eigenen Fahrzeugs verhelfen auch nicht gerade zu einer besseren Marktposition.
Als der Grafikkünstler Tim Skelly ein Jahr nach der Veröffentlichung von Space Wars von Cinematronics angeheuert wird, findet er das Entwicklungslabor um seine Technologie und Dokumentation beraubt vor. Wieder ganz am Anfang beginnend, sucht sich Skelly die notwendige Technologie zusammen und entwickelt einige der interessantesten Cinematronics Spiele. Los geht es mit Starhawk (1978), ein Erfolg, der das Unternehmen wiederbelebt und seine 100 Angestellte vor der Arbeitslosigkeit bewahrt. Einige andere bemerkenswerte Titel von Skelly sind Sundance (1978), Rip Off (1980), Star Castle (1980) und Armor Attack (1980). Historisch relevant ist auch noch Skellys 1979 Meisterstück Warrior, das erste Kampfspiel und Vorbote späterer Spiele wie Kung Fu und Street Fighter. Weitere Produkte von Cinematronics sind Tail Gunner (1979), Solar Quest (1981) und Cosmic Chasm (1983).
Ein nicht ganz so bekanntes Spiel ist Barrier (1978), was nicht überraschend ist: Spiel man es, fühlt man sich gleich an die simplen tragbaren LED Fußball-Spiele aus den 70ern erinnert, wie z.B. Mattels Football oder Colecos Electronic Quarterback. Eines Tages kommt Jim Pierce, der Besitzer von Cinematronics, mit einem solchen LED Spiel zu dem Neuling Rob Patton und beauftragt ihn als sein erstes Projekt eine Nachahmung dieses Spiels als zu entwickeln. Skelly unterstützt ihn dabei, aber trotz ihrer Bemühungen ist das Ergebnis nicht veröffentlichbar und wird ad acta gelegt. Inzwischen ist Rosenthals VectorBeam darum bemüht ein neues Produkt zu finden, das sie veröffentlichen können, während die Entwicklung von Tail Gunner voranschreitet. Es ist praktisch wie ein Witz auf ihre ehemaligen Mitarbeiter, dass Cinematronics das verhasste Barrier an VectorBeam verkauft.
Skelly kündigt schließlich bei Cinematronics, als er vom Automatenhersteller Gremlin, der später zu SEGA/Gremlin wird, abgeworben wird. Sie unterbreiten ihm ein Angebot, dass seine ehemaligen Arbeitgeber noch nicht einmal in Betracht gezogen hätten. Während seiner Arbeit an der Farb-Vektor-Technologie, die in Spielen wie Space Fury eingesetzt wird, wird eine Klage gegen Skelly und Gremlin von Cinematronics wegen Patentverletzungen bzgl. der Vektor-Technologie eingereicht. So beschließt Skelly auf Sprites (und damit Raster basierte Grafiken) zu wechseln. Er wird schließlich von D. Gottlieb und Co. nach Chicago gelockt und mit einem Vertrag von US$ 40.000 pro Spiel, entwickelt er 1982 Reactor. Abgesehen von dem ungewöhnlichen Spielstil, in dem der Spieler nichts abschießt, sondern seine Gegner für ihren Untergang in einen Nuklearreaktor stößt, ist es auch eines das erste Spiele, welches eine 16-Bit CPU verwenden, eine Intel 8088.
Als Lösung des Rechtsstreits, der von seinen früheren Arbeitgebern bei Cinematronics gestartet wurde, kehrt Rosenthal zurück und VectorBeam wird Teil von Cinematronics, wobei Rosenthal noch eine Abfindung von einer Million US-Dollar für seine Firma erhält. Im Gegenzug bekommt Cinematronics die Rechte an Rosenthals neuem Spiel Tail Gunner, sowie alle Rechte an VectorBeams Spiel-Technologie. Nach einer Serie von Flops, muss Cinematronics die Insolvenz nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts einreichen. Es wird der längste Insolvenzprozess in der Geschichte Kaliforniens, währenddessen landet das Unternehmen einen echten Hit, indem sie dabei helfen die Video Disc Technologie zu entwickeln und das erste Spiel dieser Art vermarkten: Dragon’s Lair.
Durch den Pionier Space Wars sind Vektor-Grafiken und die Methoden genaue geometrische Figuren zu zeichnen bald aus den Videospielen nicht mehr wegzudenken. Es bildet sich ein regelrechter Kult um diese Spiele, auch noch lange, nachdem die einfachen Vektorspiele die Spielhallen schon wieder verlassen haben.