Jupiter Cantab

Steven Vickers und Richard AltwasserJupiter Cantab wird 1982 von Steven Vickers und Richard Altwasser gegründet. Steve Vickers ist ein Softwareentwickler mit einem Doktortitel in Mathematik. Er arbeitete zuvor für John Grants Nine Tiles Company, die die Firmware für Sinclairs Computer entwickelte. Richard Altwasser fing direkt nach seinem Studium direkt bei Sinclair Research an. Beide sind an der Entwicklung des ZX Spectrum beteiligt, Vickers schrieb das Betriebssystem und Altwasser entwickelte die Hardware. Nachdem sie ihre Arbeit am ZX Spectrum beendet haben, entscheiden sie sich dazu ein eigenes Unternehmen zu gründen. Anfangs wollen sie die neue Firma Rainbow Computing nennen, diesen Namen hatte Altwasser ursprünglich Sinclair für den Spectrum vorgeschlagen, entscheiden sich aber schließlich, als ehemalige Studenten der Universität von Cambridge und da Rainbow schon anderweitig benutzt wird, für Jupiter Cantab. Cantab steht für „Cantabridgian“, welchen einen Studenten oder Mitarbeiter eben dieser Universität bezeichnet.

Zu dieser Zeit werden fast alle Heimcomputer mit Basic als Programmiersprache ausgeliefert. Da Vickers und Altwasser davon ausgehen, dass die Entwicklung eines eigenen Basic-Interpreters zu viel Zeit benötigt, entscheiden sie sich für Forth als Programmiersprache, die als schnell und kompakt gilt. Ein guter Bekannter von Vickers gibt den Ausschlag für diese Entscheidung, er überzeugt Vickers davon Forth zu wählen, da Programme fast in Maschinensprache-Geschwindigkeit aufgeführt werden und diese nur wenig Speicher benötigen. Vickers, der sich von Forth als alternative Programmiersprache überzeugen lasst, gibt diese Idee an Altwasser weiter.

Vickers und Altwasser kommen schnell voran. Altwasser zeichnet das Platinenlayout per Hand und Vickers programmiert die Firmware und den Forth Editor und Compiler in Z80 Assembler. Es werden zwar auch andere CPU in Betracht gezogen, aber es bleibt letztendlich beim Z80, kennt Vickers die Architektur doch in- und auswendig.

Es werden auch keine speziellen komplexe Chips verwendet, da diese den Computer verteuert und die Entwicklung verlängert hätten. Die ersten Prototypen können so schnell aufgebaut werden; es dauert sehr viel länger die Software und Handbücher zu schreiben. Gerade der Forth Editor und Compiler kann nicht einfach programmiert werden, es ist erforderlich ein wenig von der Forth Methodologie abzuweichen: Programme werden editiert, gespeichert, eingelesen, kompiliert und gestartet. Für einen Computer, der nur über einen Kassettenrekorder als Speichermedium verfügt, wäre dieses nicht tragbar gewesen. So wird die Arbeitsweise des Compilers so verändert, dass man ihn interaktiv benutzt: Ein Anwender gibt ein Kommando ein und sieht direkt das Ergebnis, genauso wie beim Basic-Interpreter des ZX Spectrum. Auch ist es nicht üblich, dass Forth über eine Fließkomma-Arithmetik verfügt, da Vickers aber noch vom Spectrum her weiß, wie diese implementiert werden kann, erweitert er seinen Forth-Compiler auch um dieses Feature.

August 1982 kündigen Vickers und Altwasser ihren neuen Computer an und nennen ihn Ace in Anerkennung an den Pilot Ace (Automatic Computing Engine). Vickers setzt auch eine kleine Widmung an den Pilot Ace in sein Forth Handbuch:

„Introduction: In 1950 the National Physical Laboratory made the Pilot ACE (Automatic Computing Engine), one of the earliest British computers. Internally it could store an amount of information measured as 1½ Kilobytes, it took 32 microseconds to perform its simplest operation and, with its large number of wires, valves and tubes filled with mercury, occupied a space the size of a small kitchen. Most of its remains can now be seen in the Science Museum at South Kensington. Based on the Pilot ACE, English Electric developed their DEUCE (Digital Electronic Universal Computing Engine). Over six years they sold about forty of these, costing between £30,000 and £40,000 each. Now, in 1982, Jupiter Cantab Ltd have produced their own Ace. […]“

„EINFÃœHRUNG: Im Jahr 1950 fertigte das National Physical Laboratory in Großbritannien den ‚Pilot ACE‘ (Automatic Computing Engine), einen der ersten britischen Computer. Dieser erste ACE hatte eine Speicherkapazität von 1,5 KByte und benötigte 32 Mikrosekunden, um die einfachste Operation zu bewältigen. Mit dieser Unmenge von Kabeln und quecksilberbedampften Röhren brauchte er fast den Platz einer mittleren Küche. Heute kann er im wissenschaftlichen Museum von South Kensington besichtigt werden. Aufbauend auf dem Pilot ACE entwickelte English Electric den DEUCE (Digital Electronic Universal Computing Engine). Innerhalb von 6 Jahren wurden davon ca. 40 Stück verkauft, zu einem Stückpreis von £30-40.000. Im Jahr 1982 hat Jupiter Cantab Ltd. seinen eigenen ACE entwickelt. […]

Der Jupiter Ace

Jupiter AceAm 22. September 1982 bringt Jupiter Cantab den Jupiter Ace für £89,95 auf dem Markt. Die Firma operiert zu dieser Zeit von Altwassers Vorstadthaus direkt an der Huntingdon Read in Cambridge aus, zuerst aus einem freien Zimmer, später, als Altwassers Sohn geboren wird, von der Garage aus. Als das Unternehmen wächst, zieht Jupiter Cantab in ein Bürogebäude an der Bateman Street, direkt hinter dem botanischen Garten der Universität.

Der Ace ist mit Forth als Programmiersprache eine sehr außergewöhnliche Maschine. Der Grund für diese Wahl ist, dass Vickers und Altwasser davon ausgingen, dass die Entwicklung eines Basic-Interpreters zu viel Zeit veranschlagen würde. Letztendlich gehört der Jupiter Ace durch diese Entscheidung aber zu den schnellsten Heimcomputern der damaligen Zeit.

PCBDer Ace sieht dem ZX81 sehr ähnlich. Er besitzt fast das selbe Gehäuse, welches aber weiß ist. Bedenkt man, dass der Ace von Richard Altwasser und Steven Vickers entworfen wird, ist das aufgrund ihres Sinclair Backgrounds nicht weiter verwunderlich. Der Ace verwendet auch eine Z80 CPU. Anstelle der mickrigen 1 KByte des ZX81 verfügt der Jupiter Ace aber über 3 KByte Arbeitsspeicher. Die Tastatur ist nur mittelmäßig und u.a. auch der Grund dafür, warum der Ace so günstig angeboten werden kann. Im Grunde werden dieselben „Radiergummi“-Tasten verwendet wie beim ZX-Spectrum (unter den Tasten befindet sich die vom ZX81 bekannte Folientastatur). Der Ace kann Groß- und Kleinbuchstaben darstellen (bei anderen Rechnern auch nicht unbedingt selbstverständlich) und man kann eigene Charactersets erstellen. Die Bildschirmauflösung von 32×24 Zeichen bzw 64×48 Pixeln entspricht der des ZX81, aber durch die selbstdefinierten Zeichensätze kann man HiRes-Grafiken (bis 256×192 Pixel) erzeugen.

Jupiter Cantab produziert aufgrund von Marktanalysen ca. 1000 Geräte im Monat und verkauft diese im Versandhandel. Altwasser prognostiziert in einem Interview mit Popular Computing Weekly beim Erscheinen des Ace, dass dieser sich aufgrund von Forth im Bildungsbereich für Kinder durchsetzen wird und tatsächlich sind einige Anwender versucht, die neue Maschine nur aufgrund der neuen Sprache zu kaufen. Journalisten reagieren jedoch überrascht auf die unübliche Programmiersprache, aber Altwasser ist davon überzeugt, dass aufgrund der zehnfachen Geschwindigkeit und höheren Flexibilität von Forth der Ace von den Anwendern angenommen werden wird. Und tatsächlich führt der Ace Benchmarks über zehnmal schneller aus, als diese auf dem höher getakteten ZX Spectrum benötigen.

Ace FroggerAber es stellt sich schnell heraus, dass der Ace nicht die Erwartungen des Markts erfüllt. Ihm fehlen Farbgrafik, über die einige Computer bereits serienmäßig verfügen und er verfügt über zu wenig Speicher. Besonders problematisch ist, dass fast keine Software für den Ace angeboten wird, insbesondere Spiele fehlen. So kündigen Altwasser und Vickers im August 1982 für Weihnachten eine 48 KByte Speichererweiterung, eine Farbgrafikerweiterung und ein Drucker-Interface an. Auch das billige Gehäuse wird in der Presse kritisiert.

Laskys and Debenhams verkaufen unter der Leitung des Distributors Micro Marketing den Ace in ihren Shops. So wird Micro Marketing einer der wenigen Verkäufer für Ace Zubehör. Die versprochene Speichererweiterung bleibt aus, genauso wie angekündigte Spiele und Anwendungsprogramme, die Anfang 1983 erscheinen sollen. Micro Marketing veröffentlicht aber im März 1983 zumindest eine 16 KByte Erweiterung und auch ein paar Softwaretitel erscheinen. Vickers und Altwasser konzentrieren sich inzwischen auf den Nachfolger zum Ace.

Der Jupiter Ace 4000 und Ace 16+

Jupiter Ace 40001983 soll noch der Jupiter Ace 4000 auf dem amerikanischen Markt erscheinen. Dieser verfügt über eine verbesserte Tastatur und 51 KByte RAM. Der Ace 4000 besitzt ein neues Mainboard (Issue 3), die ähnlich zu den Vorgängern (Issue 1 und 2) ist, aber mit einigen Modifikationen. Es gibt einen zusätzlichen Anschluss für einen Monitor und auf der Rückseite befindet sich ein kleiner Schalter zur Umschaltung von VHF Kanal 3 und 4. Ein weiteres Feature ist, dass das eingebaute ROM deselektiert wird, wenn ein externes ROM angeschlossen wird. Das Gehäuse ist ebenfalls neu: Es ist stabiler und man sieht den Lautsprecher durch Schlitze auf der Rückseite. Angeblich werden vom Ace 4000 gerade einmal 800 Stück für den amerikanischen Markt produziert. Angeblich sollen auch einige für den europäischen Markt modifizierte Ace 4000 produziert worden sein. Zwar gibt es Voraussagen, dass der Ace 4000 sich gut verkaufen wird, aber viele Verzögerungen, u.a. auch wegen der notwendigen Zulassung, sorgen dafür, dass der Ace auf dem amerikanischen Markt kaum wahrgenommen wird. Im Juni 1983 wird noch der Ace 16+ angekündigt, der es aber nicht mehr veröffentlicht wird.

Bereits im Juli beschließt Altwasser, dass Unternehmen zu verlassen und mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Bis Ende Oktober 1983 stellt Jupiter Cantab offiziell seine Geschäftstätigkeit ein und wird im November 1983 abgewickelt. Die Mitarbeiter (die Mitarbeiterzahl ist nie über fünf Personen gestiegen) werden entlassen. Der am 8. November 1983 ernannte Vermögensverwalter Dennis Kreuz von den Wirtschaftsprüfern Chater & Myhill gibt bekannt, dass Jupiter Cantab £140.000 Schulden hinterlässt. In den Lagern befinden sich noch rund 1600 Jupiter Ace.

Laut Home Computing Weekly vom 6. Dezember 1983 werden bis dahin insgesamt 5000 Jupiter Ace verkauft. Die Maschine, alle Lagerbestände und die Rechte an Forth werden von Boldfield Computing Ltd übernommen. Einige wenige noch übrig gebliebene Ace 4000 werden an Mitglieder der Ace User Group verkauft.

Steven VickersBoldfield entwickelt auch noch einige Software für den Ace, darunter Spiele, eine Datenbank und eine Tabellenkalkulation. Sie veröffentlichen auch ein paar Peripheriegeräte, wie Speichererweiterungen, eine Zusatztastatur und Monitoradapter. Alles, auch der Ace, wird im Versandhandel verkauft (der Ace für £26 zuzüglich Umsatzsteuer). Neue Geräte werden nicht nachgefertigt, sie verkaufen nur die Lagerbestände bis zwei Jahre später der Ace ausverkauft ist.

Altwasser erholt sich vom Stress seine eigene Computer-Firma zu leiten und nachdem er einige Zeit als Berater arbeitet, geht er 1986 als leitender Ingenieur zu Amstrad. Später wird er Direktor des Unternehmens und erlebt, wie Amstrad seinen früheren Arbeitgeber Sinclair Research akquiriert. Er verlässt Amstrad 1992 und arbeitet als Senior Berater bei Firmen wie RM (ehemals Research Machines), Xitex, Icera und Promethean.

Vickers arbeitet nach dem Ende von Jupiter Cantav wieder als freier Programmierer und Schreiber, aber sein Doktortitel und sein Hang zur Mathematik führen in schließlich zu einer akademischen Karriere: Er gibt 1985 Lesungen am Imperial College in London, später dann an der Open University, und aktuell arbeitet er als Dozent an der University of Birmingham, an der er Mathematik und Informatik lehrt.

Danksagungen & Links
Einige Bilder und Informationen stammten aus folgenden Quellen:

Jupiter Ace Resource Site

Bildnachweise:

Steve Vickers: Hompage von Steve Vickers an der University of Birmingham