Die Vorgeschichte
In den frühen 70er Jahren entschließen sich Harry Fox und Oscar Jutzeler, beides Schweizer Uhrmacher, die 1950 nach Nord-Amerika kamen, dazu, Videospiele zu produzieren und gründen 1977 SpectraVision. Anfangs stellt die junge Firma Cartridges für die Atari VCS und die Colecovision her (ein paar für den VIC-20 von Commodore sind auch mit dabei), aber da SpectraVision nicht nur ein Softwareunternehmen ist (sie unterhalten einige Kontakte zu Entwicklern von Hardware), wird schon früh die Idee zu einer Videospielkonsole geboren, die aber erst 1983 verwirklicht werden soll.
1981 entwickelt Harry Fox den ersten handlichen Joystick, der 1984 sogar von Microsoft lizenziert wird.
Spectravideo
Ende 1983 hat fast jede Firma ein Standbein im Videospielemarkt. In diesem Jahr schließt Spectravision mit der Firma Chuck Wagon Dog Food einen Vertrag ein Spiel zu produzieren, das für ihr Hundefutter werben soll und benennen ihr Unternehmen in Spectravideo um, da ein Kabelunternehmen ebenfalls den Namen Spectravision schon benutzt.
CompuMate
Am 6. Januar 1983 – auf der CES – stellt Spectravideo CompuMate 2600 für das Atari 2600 VCS vor. Zu einem Preis von nur $100 USD erweitert es das VCS zu einem richtigen Heimcomputer. Die Folientastatur erlaubt es, die Basic-Kommandos mit nur einem Tastendruck einzugeben (wie auch schon beim ZX81 und ZX-Spectrum).
Die technischen Daten sind allerdings recht bescheiden: Gerade einmal 2KByte RAM stehen dem eingebautem Microsoft-Basic für Programme zur Verfügung. Zusätzlich zur Programmiersprache Basic sind noch ein simples Musik- und Zeichenprogramm im ROM enthalten.
Da das System aber zu einem Zeitpunkt auf den Markt kommt, wo andere Heimcomputer schon vernünftige Tastaturen und auch wesentlich mehr Speicher besitzen, hat es keinen besonders großen Erfolg.
Der SV-318 und SV(I)-328
Nachdem Spectravideo den Zusatz CompuMate für das VCS entwickelt hat, das diesen zu einem Computer verwandelt (mit Tastatur und Microsoft Basic), planen sie einen Heimcomputer zu entwickeln.Der neue Heimcomputer soll auf einem Z80A basieren und einen verbesserten Soundgenerator, den AY-3-8910 von General Instrument, einsetzen. Damit sollen die Herstellungskosten gering bleiben. Die eigentliche Entwicklung wird Bondwell Holding Ltd. aus Hongkong übertragen, mit denen Spectravideo schon früher zusammengearbeitet hatte. Bondwell soll auch die Herstellung übernehmen.
Als Programmiersprache wird BASIC gewählt, wobei diese von Microsoft stammen soll. Durch diese Wahl erhofft man sich höhere Umsätze. Mit Kazuhiko Nishi, dem Vizepräsidenten von Microsoft, kommt man im September 1982 in Kontakt. Sein Plan ist es einen weltweiten Heimcomputerstandard zu spezifizieren. Deshalb überarbeitete Nishi die Hardware noch einmal. Ein verbessertes Platinenlayout, mehr Speicher und die Ansteuerung von externer Peripherie erhöhten die Produktionskosten von 90 DM auf schließlich 250 DM. Die ersten Prototypen wurden im Winter 1982 fertiggestellt. Zeitgleich entwickelte die von Nishi bereits 1977 gegründete ASCII Microsoft Corporation die zu dem Standard gehörende Programmiersprache (1979 wurde die ASCII Corporation unter dem Namen ASCII Microsoft Corporation, Microsoft erstes Standbein in Japan).
Aufgrund der vielen von Nishi eingebrachten Änderungen befürchtet Spectravideo Lizenzgebühren an Microsoft zahlen zu müssen und baut den neuen Rechner bezüglich der I/O-Adressen und des Expansionsports leicht abweichend zum späteren MSX-Standard. Auch die nun Spectravideo BASIC genannte Programmiersprache weicht vom MSX-Standard ab. Da Microsoft die Auslieferungstermine für das BASIC nicht einhalten kann, kommt der SV-318 erst Anfang 1983 auf den Markt und wird auf der Winter CES im Januar 1983 vorgestellt.
Zeitgleich zur Veröffentlichung vom SV-318 wird Nishi darum gebeten einen zweiten Computer für den Büroeinsatz zu entwickeln. Mitte 1983 erscheint der überarbeitete SV-328, der über ein neues Keyboard und mehr Arbeitsspeicher verfügt. Auch dieser ist wieder nur fast zum MSX-Standard kompatibel. Fast deshalb, da der SVI-328 die gleiche Hardware verwendet wie ein MSX Gerät, aber die I/O Adressen und der Expansionsport unterschiedlich sind.Von dem SV-328 erscheinen zwei Modelle. Das erste Modell (SV-328) verwendet noch sehr viele TTL Chips, das zweite Modell (SVI-328) integriert viele dieser Chips auf einer ULA. Beide Modelle verfügen über das SV-Basic (1.0 bzw. 1.1).
Anfang 1984 stellt Spectravideo seine Aktivitäten in den USA aufgrund schlechter Verkäufe ein, bringt aber noch überarbeitetes Modell SV 318 MKII (Mark II) auf den Markt. Dieses Modell unterscheidet sich in dem eingebauten HF-Modulator und einem neuen Chip auf der Hauptplatine, der einige einzelne Bauelemente in sich vereint, vom SV 318. Durch die Reduzierung der Produktionskosten kann der Rechner nun für 698 DM ab Oktober 1984 verkauft werden. Auch wenn sich der Rechner außerhalb der USA recht gut verkauft, hat Spectravideo weiterhin finanzielle Probleme. Über 200 Gläubiger verlangen nach über 2,6 Millionen US-Dollar. Daher übernimmt Bondwell im November die Mehrheit an Spectravideo. 1985 wird die Niederlassung in den USA geschlossen und alle Rechte an Warenzeichen übergeben.
Der SVI-728 und SVI-738
Anfang 1984 beginnt Spectravideo damit Zubehör, wie die Quickshot Serie, zu produzieren. In diesem Jahr erscheint dann auch der SVI-728 und ein Jahr darauf der Nachfolger SVI-738.Der SVI 728 ist optisch identisch mit dem SVI 328, ist im Gegensatz zu diesem aber 100% kompatibel zum MSX-Standard. Der SVI-738 ist eine portable Version des SVI 728.
Der SVI-738 besitzt viele neue Features, u.a. ein eingebautes 3,5″ Diskettenlaufwerk, Centronics-Interface und RS-232C Schnittstelle. Der Grafikmodus erlaubt es bis zu 80 Zeichen/Zeile darzustellen. Der SVI-738 wird mit einem umfangreichen Softwarepaket ausgeliefert: WordStar, MailMerge, DataStar und andere CP/M 2.2 Programme. Auch wenn einige Features sogar kompatibel zum MSX2 Standard sind, ist es nicht der gesamte Rechner. Ein Hardwareupdate erlaubt es diesen Rechner MSX2 kompatibel zu machen.Der SVI-838
1986 erscheint der SVI-838 (auch bekannt unter der Bezeichnung X’press 16). Er ist eine Mischung aus MSX2 und IBM-PC kompatibler. Er ist kein MSX Computer mehr, sondern ein echter PC kompatibler, der noch über einige MSX2 Features, wie dem Standard-Videochip eines MSX2 Geräts, verfügt und viele MSX Programme mit einem speziellen Adapter ablaufen lassen kann. Damit er die speziellen MSX2-Features benutzen kann, wird eine erweiterte Version des GW-Basic (ähnlich dem MSX-Basic 2.0) mitgeliefert.
Der MSX-Standard
Die Idee hinter MSX (Microsoft Extended Basic) ist, dass Computer zueinander kompatibel sind und Hard- und Software untereinander ausgetauscht werden können. Die ursprünglichen Erfinder dieses Standards Microsoft (Firmware) und ASCII (Basic) legten für MSX folgende Hardwarevoraussetzungen fest: Z80 CPU mit mindestens 16KByte RAM und 32Kbyte ROM, 3-Kanal-Sound, Joystickport, Cartridgeport, 24×32 Zeichen in 16 Farben, 256×196 Pixel, 32 Sprites, Kassetteninterface mit 1200-2400bps, 72-Tasten-Keyboard.
Es bringen viele weitere Firmen MSX Computer heraus, u.a. Canon, Casio, Daewoo, Fujitsu, Hitachi, JVC, Kyocera, Matsushita, Mitsubishi, Panasonic, Philips, Pioneer, Samsung, Sanyo, Siemens, Sony, Toshiba und Yamaha.
Alle Spectravideo Produkte werden von Bondwell Holdings in Hong Kong hergestellt, die später die Kontrolle über Spectravideo erhalten. Bondwell stellt für einige Zeit auch IBM-PC kompatible Rechner her.
Spectravideo existiert heute immer noch in England, Hong Kong und Australien und verkauft eigene Produkte für Computer und die gängigen Spielekonsolen. Nach dem Räumungsverkauf von Bondwell vor einigen Jahren in Hong Kong, ist Quickshot von Tomei International Ltd übernommen worden.