Willy Higinbotham: Erfinder des Videospiels
Aus geschichtlicher Sicht ist das erste interaktive elektronische Videospiel, das Grafiken auf einem Bildschirm darstellt, das Cathode Ray Tube Amusement Device von Thomas T. Goldsmith Jr. und Estle Ray Mann aus dem Jahr 1947. Es besteht aus analogen Komponenten und wird von Goldsmith Jr. patentiert. Das Spiel erfordert, dass ein Spieler mit Reglern einen Punkt auf einem Bildschirm, der wie eine Radaranzeige aussieht, bewegt. Auf dem Bildschirm aufgemalt, befinden sich die Konturen eines Flugzeugs ĂĽber die der Spieler den Punkt innerhalb einer vorgegeben Zeit bewegen und dieses Ziel dann durch drĂĽcken einer Feuer-Taste zerstören muss. Obwohl dieses Spiel ein interessantes Experiment darstellt, wird es nicht veröffentlicht. Später entsteht Naughts and Crosses (Nullen und Kreuze), auch bekannt unter OXO, welches von dem Doktorenten A.S. Douglas an der Universität von Cambridge im Jahr 1952 geschrieben wird. Das Tic-Tac-Toe Spiel wird auf einem spärlichen 35×16 Pixel Bildschirm dargestellt, der an dem recht massiven EDSAC Mainframe Computer der Universität angeschlossen ist. Es dauert noch weitere sechs Jahre, bis schlieĂźlich etwas entwickelt wird, was wir heute als Videospiel bezeichnen.
Während das erste kommerzielle Videospiel noch Jahre entfernt ist, versucht ein Physiker mit einem elektronischen Aufbau die Führungen in seinem Institut für die teilweise gelangweilten Besucher etwas interessanter zu machen und entwirft 1958 damit etwas, was aus heutiger Sicht als Vorläufer der Videospiele angesehen werden kann. Bei der Arbeit im Brookhaven National Laboratory, einem US Nuklear-Forschungslabor in Upton, New York, bemerkt der Physiker William A. Higinbotham, dass die Besucher am jährlichen Tag-der-offenen-Tür, an dem man zeigen will, wie sicher die Arbeit ist, vom Anschauen einfacher Fotos und ein paar anderer statischer Ausstellungsstücke gelangweilt wirken.
„Willie“, wie er im Labor genannt wird, wurde 1911 in Bridgeport, Connecticut, als Sohn eines presbyterianischen Pfarrers geboren. Nach seinem College Abschluss als Physiker, beginnt er weitere Studien an der Cornell Universität. Von dort tritt er dem Strahlungslabor am MIT als Elektronik-Spezialist. 1941 ist Higinbotham Teil eines Teams von Spezialisten, die an einem streng geheimen Projekt arbeiten, das zum Ziel hat, das amerikanische Kriegsflugzeuge mit dem ersten Radarsystem ausgestattet werden. Im Dezember 1943 wechselt er zur Los Alamos Forschungseinrichtung in New Mexico, wo er hilft Zeitschalter zu bauen, die im Wesentlichen die Auslöser fĂĽr das Manhattan Projekt sind und ist schlieĂźlich Zeuge der ersten Atombombenexplosion. Dieses schreckliche Erlebnis wird Higinbotham später prägen; er wird später zu einem Gegner von Kernwaffen und deren Verbreitung und setzt sich fĂĽr eine strenge zivile Kontrolle von Atomkraft mit Hilfe der Atomenergie-Kommission, bei deren GrĂĽndung er mithilft, ein. Als 1947 das BNL geöffnet wird, tritt er diesem bei. 1958 ist Higinbotham 47 Jahre alt, Brillenträger, Kettenraucher, virtuoser Akkordeonspieler und bekennender Flipperspieler. Zu dieser Zeit möchte er die Ausstellung im BNL so gestalten, dass die Besucher sich nicht nur informieren können, sondern beim Besuch auch unterhalten werden.
Als er die Beschreibung des Donner Analog Computer Model 30 liest, fällt ihm auf, dass dieser ballistische Raketenflugbahnen berechnen kann. Seine Idee ist, den kleinen analogen Labor-Computer zum Zeichnen und Anzeigen einer Flugbahn eines bewegten Balls auf dem Oszilloskop zu benutzen. Das Zeichnen von Flugbahnen war eines der Spezialitäten der Computer der damaligen Zeit, die Kryptographie eine andere. Es ist eine Tatsache, dass der erste elektronische Computer dazu entwickelt worden war, Flugbahnen von tausenden von Bomben im 2. Weltkrieg zu berechnen. Da William als Leiter der Entwicklungsabteilung so komplizierte elektronische Geräte wie Strahlungsmesser entwickelt, ist es fĂĽr ihn kein Problem mit der UnterstĂĽtzung von Robert V. Dvorak innerhalb von nur drei Wochen ein Spielesystem zu bauen, das sie „Tennis for Two“ nennen.
Die Premiere ist am 18. Oktober 1958 – am nächsten Tag-der-offenen-TĂĽr – in der Turnhalle des Brookhaven Kernforschungszentrums zusammen mit anderen AusstellungsstĂĽcken. In seinem primitiven Tennis-Spiel ist der Boden eine horizontale Linie am unteren Bildschirmrand des Oszilloskops dar, das Netz ist eine kleine vertikale Linie in der Mitte des Bildschirms. Zwei Kästchen, jedes mit einer drehbaren Skala und einem Knopf, sind die Controller…
Die Regler dienen zum Einstellen des Flugwinkels und der Knopf schickt den Ball auf die andere Seite. Wenn der Spieler den Flugwinkel falsch eingibt, landet er im Netz. Die Physik des Spiels ist bemerkenswert, sogar die Windgeschwindigkeit wird mit einbezogen und die Netzhöhe und Feldgröße ist einstellbar. Durch Druck auf einen Reset-Knopf erscheint der Ball wieder auf dem Bildschirm und das Spiel geht weiter. Es wird hierbei noch keine Punktzahl auf dem nur 5″ groĂźen Oszilloskop angezeigt, aber das Spiel ist trotzdem ein Highlight fĂĽr jeden, der das Labor besucht. Hunderte Personen stehen sogar stundenlang an, um es zu spielen und ignorieren dabei die AusstellungsstĂĽcke der anderen Wissenschaftler.
Das Spiel taucht 1959 bei einem weiteren Tag-der-offenen-TĂĽr wieder auf. Inzwischen wurde es noch etwas modifiziert, u.a. bekam es extra einen größeren 17″ Monitor spendiert. Um das Spiel noch interessanter zu machen, ist es nun auch möglich, die Schwerkraft zu verändern, um so ein Tennisspiel auf anderen Planeten zu simulieren. Nach diesem Auftritt wurde das System aber wieder zerlegt und die Komponenten anderen Aufgaben zugefĂĽhrt. Weder vermarktet William seine Idee, noch lässt er seine Erfindung schĂĽtzen, denkt er doch, dass seine Idee dieses nicht Wert ist. Aber Jahre später wird seine Aussage noch in dem Prozess gegen das Magnavox Videospielepatent, was die Firma fĂĽr ihre Entwicklung der Odyssey erhalten wird, von groĂźer Wichtigkeit sein. Während Higinbothams Aufbau als Vorläufer der Ping-Pong Spiele, wie die auf der Odyssey und Ataris Pong, angesehen werden kann, entscheidet das Gericht gegen die Aufhebung des Patents, da Higinbothams Spiel nicht voll funktionsfähig gewesen sei. Aufgrund dieser Entscheidung muss später jede Firma, die den Videospielemarkt betreten will, GebĂĽhren an Magnavox abfĂĽhren.
Die exakte Herkunft von „Tennis for Two“ wurde schon mehrfach in Frage gestellt; Brookhaven National Labs und David Ahl stehen hierbei auf Higinbothams Seite. Ahl erinnert sich daran, das Spiel als Teenager während einer Tour durch Brookhaven gespielt zu haben. Später grĂĽndet er Creative Computing, ein frĂĽhes und einflussreiches Magazin der Computerindustrie. Auf der anderen Seite steht Ralph Baer, als Inhaber des ersten Videospielepatents, das später zur Odyssey wurde. Während der Rechtsstreitigkeiten ĂĽber die ganzen Jahre, verteidigt Baer sein Patent und beschreibt Higinbothams Erfindung als simple Ballistik-Demonstration auf einem Oszillographen. Eine weitere Aussage dazu kommt vom David Patter, ein Kollege von Higinbotham, der an der ersten Entwicklung von Tennis for Two beteiligt war: Ein High-School Student, welcher der Präsentation beiwohnte, sei sehr an dem Design interessiert gewesen. So sehr, dass er später nach den Schaltplänen fragte, die ihm Higinbotham auch zur VerfĂĽgung stellte. Dieser junge Mann wird später Präsident einer der ersten Firmen, die TV Spiele in der PONG-Ă„ra produziert. Der Name ist leider nicht mehr bekannt und er, und sein Einfluss, wurde während des Magnavox-Prozesses wohl ĂĽbersehen. Leider kann sich der Mann, um den es bei dem ganzen Streit geht, nicht mehr selbst dazu äuĂźern: William Higinbotham, der Inhaber von 20 Elektronik-Patenten, aber keines in Bezug auf Videospiele, verstarb am 10. November 1994 im Alter von 84 Jahren.
Wedge vs. Needle
1961 gibt es am MIT eine Gruppe von Computer-Freaks, die sich selbst Tech Model Railroad Club nennt. Die Mitglieder dieser Gruppe, die auch scherzhaft „Das Higham Institute“ (ein Apartmentgebäude an der Highham Steet in Cambridge, Massachusetts) genannt wird, besprechen gerade die Weltraumsaga von E.E. „Doc“ Smith, einem der „GroĂźväter“ der SF-Literatur. Sie träumen von den Special-Effects fĂĽr einen Film basierend auf dem Lensman-Zyklus mit seinen Beschreibungen von turbulenten interstellaren Weltraumgefechten, die der Autor in seinen BĂĽchern beschriebt. Zu dieser Zeit bekommt der schon alternde (und gigantische), noch auf Transistoren basierende TX-0 Mainframe, einen neuen Gesellen: Eine relativ schlanke Digital Equipment Corporation PDP-1. Vorherige Demoprogramme, die auch fĂĽr den „Tag der offenen TĂĽr“ auf der TX-0 entwickelt wurden, bestehen aus springenden Bällen, Irrgärten, in denen eine elektronische Maus herumlaufen kann, und einem Tic-Tac-Toe. Es wird eine Brainstorming-Sitzung des TMRC einberufen, die zum Ziel hat, ein wirklich atemberaubendes Demonstrationsprogramm fĂĽr die erweiterten Fähigkeiten der PDP-1 zu entwerfen.
Anwesend sind Wayne Witanen und J. Martin Graetz, zusammen mit dem 25 Jahre alten Steve Russell, einem AI-Spezialisten (AI=Artificial Intelligence), der unter seinen Freunden auch als Slug (Schnecke) bekannt ist, wegen seines zögerlichen Verhaltens. Sie entwickeln, basierend auf E.E. Smiths Weltraumgefechten, eine Idee von zwei Raumschiffen, die sich, nur mit begrenztem Treibstoff ausgestattet, in einem Duell befinden. Das Programm wird zu Spacewar!, dem weltersten voll interaktivem Videospiel, mit Russell als hauptverantwortlichen Programmierer. Die zwei Schiffe werden ‚Wedge‘ (Keil) und ‚Needle‘ (Nadel) wegen ihres Aussehens benannt und in recht grober Vektorgraphik dargestellt.
Andere Programmierer geben Russell Hilfestellung, darunter eine Sinus/Cosinus Routine von Alan Kotok und ein Programm mit Namen „Expensive Planetarium“ von Peter Samson zum Erzeugen des unglaublich realistischen Sternenfeldes. Dan Edwards entwickelt die genauen Gravitationseffekte fĂĽr das Spiel, welches eine Sonne in der Mitte des Bildschirms besitzt, die gleichermaĂźen Schiffe wie auch Raketen anzieht. Graetz entwickelt das Hyperspace-Feature, das dazu benutzt werden kann einen Spieler aus einer Gefahrenzone zu katapultieren, indem das Schiff an einer zufällig ausgewählten Stelle wieder auf dem Bildschirm erscheint, um dort gleich wieder in Gefahr zu sein. Im FrĂĽhjahr 1962 wird das Spiel fertiggestellt und belegt im ganzen 9 KByte Speicher.
Es hat einen derart riesigen Erfolg bei der jährlichen „Tag der offenen TĂĽr“ am MIT, dass ein Punktesystem eingebaut werden muss, damit die Zeit, die die Leute an dem Spiel verbringen, begrenzt wird. Das Spiel ist so ein groĂźer Erfolg, dass Kopien schnell ĂĽber den Vorläufer des Internets – das ARPAnet – zu anderen Bildungseinrichtungen weitergereicht werden. Die Digital Electronics Company benutzt dieses Programm derzeit auch, um die Fähigkeit ihrer PDP-1 neuen Kunden zu demonstrieren und liefert es kostenlos mit jedem installierten System aus. Und schon wieder, wie zuvor William Higinbotham, sieht Russell nicht die Notwendigkeit sich die Rechte an diesem Programm schĂĽtzen zu lassen. Höchstwahrscheinlich weil es ĂĽber US$120.000 kostet Spacewar laufen zu lassen und das Spiel somit soviel kostet wie ein groĂźes Auto. Es ist wohl dem Public-Domain Status des Spiels zuzuschreiben, dass es schlieĂźlich zu einem der am meist kopierten Konzepte in der Geschichte der Videospiels wird; angefangen von zahlreichen Automaten-Umsetzungen, wie Computer Space und Space Wars, bis hin zu Homecomputer-Spielen fĂĽr Systeme wie das Atari VCS. Ein weiteres historisches Ereignis ist der erste Spiele-Joystick, welcher von zwei Spacewar-SĂĽchtigen zusammengebastelt wurde, um die Schalter des Originals zu ersetzen.
Die erste Odyssey
1922 wird Ralph Baer in Deutschland geboren. Während des Nazi-Regime fliehen Ralph Baer und seine Familie 1938 in die USA. Mit dem Abschluss eines Kurs über die Reparatur von Radiogeräten, betreibt er 1939-1940 einen eigenen Radio-Reparaturservice in New York City. Mit dem Ausbruch des Kriegs in Europa, leistet Baer drei Jahre Dienst in der US Armee von 1943-1946, davon verbringt er die letzten zwei Jahre beim militärischen Geheimdienst in Übersee. Nachdem er die Armee mit Hilfe der G.I. Bills of Rights verlassen hat, macht er 1949 am American Television Institute of Technology (ATIT) in Chicago seinen Bachelor als Fernsehtechniker und geht 1951 zu dem Kommunikationsunternehmen Loral, wo er als Angestellter u.a. auch an der Entwicklung von neuen TV-Empfangsteilen arbeitet.
Während dieses Projekts kommt er, bedingt durch die Arbeit mit dem passiven Medium Fernsehen, auf den Gedanken, ein interaktives Spiel zu entwerfen, immerhin ein Markt von über 62 Millionen Fernsehgeräten. Dieser Gedanke findet aber keinen besonders großen Zuspruch. 1966 wechselt er zu Sanders Associates, einem Zulieferer des Militärs, in New Hampshire. Dort denkt er weiterhin über ein interaktives TV Konzept nach und eines Tages, während er an einem Bus-Terminal in New York wartet, kritzelt er sein Konzept eines TV-basierten Videospielsystems nieder. Dieses Konzept fasst er später nochmals auf insgesamt vier Seiten zusammen, in denen er ein Low-Cost Gerät für den Fernseher, zusammen mit möglichen Spielkategorien wie Action, Puzzle, Ausbildung und Sport, beschreibt.
Nachdem er eine Schaltskizze des Geräts fertiggestellt hatte, beginnt er 1966 mit der Arbeit an einem Videospiel fĂĽr ein TV-Gerät. Ihm helfen bei der Entwicklung Bob Tremblay und Bob Solomon. Sie arbeiten in einem geheimen Labor bei Sanders bekannt als „Game Room“ (Spielzimmer), zu dem nur sein Team einen SchlĂĽssel besitzt. Bis Dezember haben sie ein System fertiggestellt, das es erlaubt, einige Punkte in einem rudimentären Spiel auf einem TV-Bildschirm umherzubewegen. Mit zwei Schaltkreisen bauen sie ein Verfolgungsspiel auf, in dem ein Punkt einen anderen verfolgt und wenn er diesen erwischt, er vom Bildschirm verschwindet. Im Januar 1967 beauftragt Baer den Techniker Bill Harrison damit das erste Videospiel zu bauen, welches mehrere Spiele bietet. Das Multi-Videospiel bietet Jagdspiele, besitzt eine Lichtpistole und weitere einfache Spiele. Sie nennen das System TV Game Unit, aber besser bekannt ist es im Labor als The Brown Box aufgrund des Gehäuses aus braunen Holzimitats, das von Harrison verwendet wurde, um das Gerät fĂĽr Kunden attraktiver zu gestalten.
Nachdem sie es Sanders Direktor für Forschung und Entwicklung Herbert Campman vorgestellt haben, wird das Projekt genehmigt und weitere Gelder zur Verfügung gestellt. An Baers und Harrisons Seite arbeitet nun auch der Ingenieur Bill Rusch. Rusch entwirft ein neues Spiel und es ist vielleicht nicht überraschend, dass in diesem Spiel mit Hilfe eines 3-Strahl-Generators zwei Schläger und ein Ball auf dem Bildschirm projiziert werden. Ein Ball wird fort geworfen, prallt zurück und wird von einem Schläger wieder aufgefangen. Baer und Harrison verfeinern dieses Spiel später derart, dass der Ball immer in Bewegung bleibt und erneut ins Spiel gebracht werden kann, wenn ein Spieler diesen verfehlt. Sie entwerfen so ein einfaches Ping-Pong Spiel.
Im FrĂĽhjahr 1968 erhält Baer dafĂĽr das erste Videospielpatent und am Jahresende fĂĽhren sie das System vor, das nun zwischen Ping-Pong, Volleyball, Football und einigen SchieĂźspielen fĂĽr ein neu entwickeltes Lichtgewehr umgeschaltet werden kann. Die Spiele sind allesamt in Farbe und mit FM Sound, der von einem Fernseher, ein 17″ RCA Gerät, ausgegeben wird. Aber als Baer und sein Team das Gerät verfeinern, richten sich die Augen auf den immer mehr expandierenden Kabel-TV Markt und der Markt fĂĽr Heimvideospiele wird fĂĽr nicht ĂĽberlebensfähig gehalten aufgrund eines TV Systems mit Namen PCATV oder Participatory Cable Television. Dieses visionäre System soll interaktive TV Spiele bieten zusammen mit einem Home-Shopping System, d.h. eine einzelne, modulare Eine-fĂĽr-alles Box, die an ein TV-Gerät angeschlossen wird. Letztendlich verspricht diese ein wenig zu viel fĂĽr diese Zeit und so setzt sich Baer mit Lou Etlinger, Sanders Direktor fĂĽr Patente, in Verbindung. Sie laden alle groĂźen TV Hersteller zu Sanders zu einer Demonstration der neuen Videospielehardware ein, in der Hoffnung, dass einer die Technologie lizenzieren wird. Obwohl einige Firmen wie G.E., Sylvania, Philco, Motorola, Magnavox und RCA schnell Interesse zeigen, gibt es keine Käufer.
Aber Bill Benders, ein Mitglied des RCA Teams, ist von der Demonstration sehr angetan und als er die Stelle eines Vizepräsidenten bei Magnavox bekommt, überzeugt er das Unternehmen von den Vorzügen dieses Spielesystems. Nach einer weiteren Demonstration von Baer und Etlinger im Magnavox Hauptquartier in Fort Wayne, Indiana, ist der Vizepräsident der TV-Marketingabteilung Gerry Martin so sehr beeindruckt, dass Magnavox im Jahre 1971 das System schließlich lizenziert und alle Rechte an den Patenten erwirbt. Nach ein paar Weiterentwicklungen, wird das Gerät SKILL-O-VISION TV Game genannt, es wird aber schließlich im Mai 1972 als allererstes kommerzielles Videospiel bei Magnavox Händlern als Odyssey angeboten.
Aber während Baer sich ein günstiges TV-Zusatzgerät für ca. US$ 19,95 vorgestellt hat, wird die Odyssey für über US$ 100 verkauft. Durch den hohen Preis der elektronischen Bauelemente, ist das Innenleben des Geräts sehr einfach gehalten. Während Baer und sein Team die verschiedenen Spiele noch auf farbigen Hintergründen anzeigen, reduziert Magnavox die Kosten, indem sie das System auf s/w-Grafiken beschneiden und den Sound wegrationalisieren. Somit ist die Grafik derart rudimentär, dass das System mit einem Set von je zwei unterschiedlich großen Vorsatzschablonen für den Fernseher geliefert wird, die das Spielfeld von Tennis und Hockey darstellen.
Es gibt insgesamt zwölf verschiedene Steckplatinen, die es erlauben unterschiedliche Spiele zu spielen; sie verfügen über keinen ROM, wie er bei späteren Systemen, wie dem Channel F, zu finden ist und dienen auch gleichzeitig als Spannungsschalter für das Gerät. Das gesamte Paket besteht aus den Aufsatzschablonen und den Steckplatinen, sowie zwei Controllern mit Drehknöpfen, die in rechteckigen Kästchen untergebracht sind. Unverständlicherweise erhöht Magnavox nachdem es die Kosten erst reduzierte, diese wieder dadurch, dass in dem Odyssey-Paket noch ein weiteres Paket mit Overlays, sechs Spielen, einem Päckchen Spielkarten, Poker Chips, Spielgeld, eine Karte für den Spielstand (das System selber kann keine Punkte berechnen oder anzeigen) und einem Paar Würfel steckt.
Magnavox verkauft über 100.000 Stück im ersten Jahr, unterstützt durch TV-Werbung mit Frank Sinatra. Die Werbemittel für die Konsole werden durch die Design-Firma Lehner Bradford and Cout entworfen, die auch die Master Strategy Spielserie für die spätere Odyssey 2 von Magnavox entwickeln. Problematisch beim Absatz der Geräte ist aber die überwiegende Meinung, man bräuchte ein Magnavox TV-Gerät um damit auch zu spielen, trotz aller Versuche von Magnavox die Kunden eines besseren zu überzeugen.Dazu kommt, dass die Konsole zuerst nur über offizielle Magnavox Händler verkauft wird und damit die möglichen Verkaufszahlen unnötig limitiert. Insgesamt werden schließlich 333.000 Odyssey Geräte und Lichtgewehre verkauft, bevor die Produktion des Systems 1975 von Magnavox Consumer Electronics Division aufgrund von US$ 60 Millionen Verluste eingestellt wird.
Aber dank der Tatsache, dass Magnavox nun das erste Videospiel-Patent, zusammen mit einer Anzahl weiterer Patente, die u.a. Features abdecken, wie sie später in Sportspielen verwendet werden, besitzt, sind sie nun in der Lage über US$ 100 Millionen an Lizenzgebühren zu kassieren und später verschiedene Prozesse gegen andere Firmen, die ihre eigenen Systeme entwickeln, zu gewinnen, eingeschlossen eine US$ 700.000 Zahlung von Atari u.a. für Pong.
Nach dem Ausbruch der PONG-Welle, unternimmt Ralph Baer eine Fahrt nach Chicago und besucht dort im November 1973 die Music Operators of America (MOA) Messe, um dort Patentverletzungen aufzuspüren. Die Ausstellungsfläche ist überseht mit PONG-Klonen und als Baer nach Sanders zurückkehrt, sieht sein Chef über das Memo mit der Auflistung von zehntausenden von verkauften PONG-Klonen und fragt Baer, warum sie denn nicht in diesem Geschäft tätig wären. Augenblicklich erhält Baer Gelder für Forschung und Entwicklung und erhält ein Team von Ingenieuren um Arcade-Spiele zu entwickeln. Ein Highlight hiervon ist ein neuer Schaltkreis von Bill Rusch, der realistische Fallgeschwindigkeiten simulieren kann. Es werden einige Prototypen von drei Arcade-TV Sportspielen, Skate-N-Score, Hit-N-Run und Pro-Soccer, gebaut und in der am Ort ansässigen Spielhalle Electro Games in Salem, New Hampshire, getestet. Sie bekommen von den Spielern ermutigende Rückmeldungen und schlagen andere Spiele von Konkurrenten wie Atari und Midway. Sanders Vorsichtigkeit den Arcade-Markt zu betreten, und deren strengen Auslegung des früheren Technologie-Abkommen mit Magnavox, sorgt letztendlich dafür, dass der Entwicklungszweig von Arcade-Spielen letztendlich eingestellt wird.
Mit dem Magnavox TV-Gerät Modell 4305 fĂĽr US$ 499, erfĂĽllt sich Ralph Baers Konzept eines kombinierten TV- und Videospielsystems, welches ein elektronisches Ping-Pong Spiel auf Knopfdruck bereit hält. Ralph Baer entwickelt in den nächsten Jahren eine beachtliche Anzahl von Videospiel- und Elektronikpatenten, wovon viele mit groĂźen Erfolg auch verwirklicht werden. Baers Simon (in Deutschland als Senso bekannt) fĂĽr Milton-Bradley (kurz MB) ist ein herausragendes Beispiel dafĂĽr. Einige davon bleiben Prototypen, wie ein Videospielsystem ĂĽber den Kabel-TV Anschluss, ein Videorecorder basiertes TV-Videospiel, das „Smarty Bear“ interaktive PlĂĽschspielzeug und der sprechende Fahrradcomputer „Bike Maxx“.
Nolan Bushnell: Der Zeus der Videospiel-Industrie
Während er an der „University of Utah“ fĂĽr seinen „Bachelor of Science“ lernt, verbringt ein junger Student mit Namen Nolan Bushnell auch viel Zeit damit, Russell’s Spacewar auf der PDP-1 der Universität zu spielen, die eine der nur drei Ausbildungsstätten in den USA ist, welche sich Monitore zur Anzeige des Spiels leisten kann. Als er gerade 19 Jahre alt ist und im Sommer als Manager eines Spielsalons in einem Freizeitpark in Salt Lake City arbeitet, ist er davon ĂĽberzeugt, dass in einem Videospiel wie Spacewar groĂźes Marktpotential steckt, wenn es das System, auf dem das Spiel läuft, nur in einer kompakteren und erschwinglicheren Version gebe. Hier beginnt fĂĽr ihn eine acht Jahre andauernde Odyssey: Die Produktion einer Automaten-Version von Spacewar.
Als Bushnell 1968 seinen Abschluss erhält, geht er nach Sunnyvale, Kalifornien, um für Ampex zu arbeiten, die Firma, die 1957 das Videoband erfand. Sein Anfangsgehalt beträgt US$ 12.000. Durch die Erfindung und beginnende Verbreitung von integrierten Schaltungen, wird seine Idee von einem Videospiel-System wahrscheinlich. Schließlich schließt sich ihm ein Kollege Ted Dabney an und beteiligt sich daran etwas noch nie da gewesenes zu schaffen: Die Konvertierung von Slug Russells PDP-1 Spacewar! in Computer Space, einem Single-Player Münzautomatenspiel.
So wird es 1971 und Bushnell ist davon ĂĽberzeugt auf dem richtigen Weg zu sein. Er verlässt Ampex, um an Computer Space ganztags zu arbeiten. Er geht sogar so weit, dass er seine jĂĽngere Tochter Britta aus ihrem Schlafzimmer in das Zimmer ihrer älteren Schwester verlegt, so dass er das Zimmer in einen Arbeitsplatz fĂĽr die Umsetzung verwandeln kann. Er verzichtet auf eine US$ 120.000 teure Maschine als Gehirn und verwendet stattdessen eine fest verdrahtete Schaltung, um Videobilder auf einen herkömmlichen 19″ s/w-Fernseher anzuzeigen.
Als er schließlich fertig ist, findet er in Nuttin Associates, einer Firma, die bis dahin triviale Münzautomatenspiele herstellt, einen Käufer. 1.500 Stück werden gebaut mit futuristischem Design und in Fiberglasgehäusen. Eingebaut ist ebenfalls eine einfache Farbdose als Münzbox. Es ist nicht das erste Arcade-Spiel. Zwei Monate zuvor stellten Bill Pitts und Hugh Tuck unter dem Firmennamen Computer Recreations Inc eine eigene Version von Spacewar in dem Coffee Shop der Tresidder Union auf dem Stanford Universitätsgelände in Kalifornien auf. Unter dem Namen Galaxy Game wird es von einem PDP 11/20 Computer gesteuert. Ein Spiel kostet 10 Cents, oder drei Spiele für einen Quarter. Das Spiel ist sehr populär unter den Studenten der Vereinigung, aber mit Herstellungskosten von US$ 20.000 ist es für ein kommerzielles Videospiel zu teuer. Weiterentwicklungen erlauben es später bis zu acht Einheiten zu einem Multi-User-Spiel zusammen zu schalten.
Mit Computer Space kann Bushnell zumindest als Erfinder des ersten Arcade-Videospiels gelten, das in Masse produziert werden kann. Bushnell verfeinert das Spiel nochmal und fügt zu bekämpfende UFOs hinzu und lenkbare Raketen. Aber das Spiel verkauft sich trotzdem nicht besonders gut. Als Nutting die 1500 Geräte verkauft hatte, gibt es nicht genug Nachfrage nach weiteren Geräten. Das Ergebnis ist zwar letztendlich nicht schlecht für einen ersten Versuch, aber doch enttäuschend für eine völlig neue Kategorie von Spielen. Bushnell kommt zu dem Entschluss, dass das Verfahren, mehrere Knöpfe für die Beschleunigung und Steuerung des Schiffs einzusetzen, viel zu kompliziert für angetrunkene Kneipengänger ist. Er ist überzeugt, dass ein erfolgreiches Videoautomaten-Spiel sehr viel einfacher verstanden und gesteuert werden muss.
Als Nutting von einer Firma hört, die ein Home-Videospiel im Airport Marine Hotel in Burlingame in Kalifornien auf der dort stattfindenden Magnavox Profit Caravan Verkaufsshow präsentiert, wird Bushnell dorthin geschickt, um dieses zu untersuchen. Er unterschreibt im Gästebuch und spielt dort Ralph Baers Odyssey Ping-Pong für über eine halbe Stunde. Er kehrt zurück zu Nutting und berichtet, dass es sich nicht um Computer Space gehandelt habe. Bushnells Kontakt mit dem Heimsystem wird später zum Kern eines von Magnavox angestrebten Patentstreits, aufgrund von Bushnells Ausflug in die Automaten-Videospiele mit PONG. In einer seltsamen Ahnung ist Baer auf der Handelsmesse 1976 anwesend und sieht Touch Me, ein portables Videospielsystem, das von Bushnell entwickelt wurde. Baer macht weiter und entwickelt Simon, ein ähnliches Produkt, das mit großem Erfolg von Milton Bradley 1977 vermarktet wird. Eine Patentschrift ausgestellt für Baer and Associates für Simon zitiert das Benutzerhandbuch von Touch Me. Es gibt seitens Atari oder Bushnell keinerlei rechtliche Reaktionen darauf.