Osborne

Reviews

Copyright: CHIP, Ausgabe November 1982
Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Vogel-Verlags!


Vom Autor zum Computerhersteller: Adam Osborne

Philosophie der Standards

Erfolgreicher Autor, Softwareentwickler und nun auf dem Weg den Mikrocomputer-Markt zu erobern: so präsentiert sich der Amerikaner Dr. Adam Osborne der die klassischen Mikro-Computer-Firmen überrunden will.

Mit dem neuen Osborne 1 QD – einer speziellen Version für den deutschen Markt, die über den deutschen Zeichensatz und leistungsfähigere Massenspeicher verfügt – soll mit klassischer Technologie der Verkaufserfolg programmiert sein. Viele Leute bauten leistungsstarke Computer, aber verstanden sie nicht zu verkaufen. Darin liegt die Grundphilosophie des Firmenchefs, der momentan 10.000 Rechner im Monat produziert und den gleichen Verkaufserfolg erreichen will wie IBM mit dem Personal-Computer. Apple, Commodore und Tandy haben sich auf dem Markt aufgrund eines geschickten Marketings behaupten können. Doch den Stern dieser Firmen der ersten Stunde sieht Osborne sinken, da sie die Marktvorteile nicht nutzen.

Das Erfolgsrezept seines Personal-Computers, der alle wesendlichen Merkmale in einem Gehäuse vereint und dazu noch transportabel ist, sieht er darin, dass technische Standards verwendet werden, die preiswert zu haben sind. Im Einsatz von Standardbauteilen und Standard-Software liegt das Geheimnis des angestrebten Erfolgs als Computerfabrikant.

Vom Autor zum Manager

Den Einstieg in die Mikroprozessortechnologie fand Osborne als Autor. 1975 gab er sein Buch „Eine Einführung zum Mikrocomputer“ heraus und erreichte eine Auflage von 300.000 Exemplaren. Daneben steht mehr als ein Dutzend anderer Titel; neben speziellen technischen Themen auch ein populärtechnischer Band unter dem Titel „Im Strudel der Mikroelektronik“. Diese Bücher, die zu Standardwerken der Computerliteratur wurden, sind zum Teil auch ins Deutsche übersetzt. Adam Osborne beschränkte sich aber nicht am auf seine Rolle als Buch autor, sondem schrieb und veröffentlichte eine ganze Reihe von größeren Programmpaketen. Aus der Erfahrung als Buch- und Softwareautor und in der genauen Marktbeobachtung, war für ihn klar, wie ein erfolgreicher Personal-Computer auszusehen hatte. Er wollte vor allem keinen Rechner für Computerfreaks herausbringen, sondern ein Werkzeug, eine Büromaschine des 20. Jahrhunderts, auf den Markt plazieren.

Zu diesem Produkt, das anwenderfreundlich sein musste, wollte er nicht nur die Hardware liefern, sondern durch geschickte Verträge mit großen Softwarefirmen auch die nötigen Programme zur Verfügung stellen. Als Autor hatte er die Erfahrung gemacht, dass Leute zunächst Bücher und Software schreiben, um Geld zu verdienen, unter Umständen aber auch aus Prestigegründen bereit waren um weniger zu arbeiten.

Da sein Produkt eine Synthese zwischen Standardtechnik und Standardsoftware sein sollte, war das Ziel rasch umrissen. Ein Standard-Prozessor, die Z80A, Standardbausteine und Staudardlaufwerke charakterisieren seine Maschine. Zu einem für unerreichbar gehaltenen Preis bot er zur nackten Hardware die wichtigsten Programme mit an, die zur effizienten Arbeit gebraucht werden; zwei BASIC-Interpreter, für die umfangreiche Programmsammlungen bestehen, so wie ein Paket zur Text- und Dateiverarbeitung. Damit erhält der Kunde die wichtigsten Voraussetzungen, um mit einem Computer erfolgreich arbeiten zu können. Die Bombe „Osborne Computer“ war geschnürt und der Verkaufserfolg gibt ihm recht. Dabei orientiert sich Osborne eng an den Erfolgsrezepten der anderen Großen am Markt. Genauer: er nutzt die Marktlücken, die von diesen nicht berücksichtigt werden. Dazu kommt, dass er seine Maschine auf eine erfolgsversprechende Software-Straße setzt. Mit den neuen Laufwerken ist der Osborne 1 QD sogar in der Lage, das gleiche Diskettenformat zu lesen, wie der IBM Personalcomputer. Dadurch werden Programme leicht übertragbar und auf der Osborne 1 können Programme genutzt werden, die eigentlich für den IBM Personalcomputer geschrieben
wurden.

Ein Lächeln für die Konkurrenz

Für seine Konkurrenten hat der promovierte Chemiker nur ein Lächeln übrig. Seiner Meinung nach ersticken die in Inkompatibilität. Apple bescheinigt Adam Osborne zwar ein strategisch geschicktes Marketing, verweist aber auf die benutzte Technik, die ihren Ursprung in der knappen Finanzlage der Entwickler von Apple, den Studenten Steve Jobbs und Steve Wosniak, habe. Commodore habe ebenfalls die 6502 gewählt, weil es schließlich den Produzenten dieser CPU, der in Konkurs gegangen sei, aufgekauft habe. Wie engstirnig die von beiden Firmen betriebene Politik sei, sehe man daran, dass, obwohl derselbe Prozessor und derselbe BASIC-Interpreter benutzt werde, es fast unmöglich sei, Programme so zu schreiben, dass sie auf beiden Systemen mit gleichem Bedienungskomfort ablauffähig seien.

Erfolg mit einem Produkt im Personal-Computer-Bereich könne man nur haben, so die Osborne-Philosophie, wenn man vorhandene Standards und Potentiale nutze. Diese Politik wird konsequent verfolgt. So wird die Hardware aus Großserien-Bauteilen assembliert, wobei stets mehrere Hersteller herangezogen werden, um ein preisgünstiges Endprodukt anbieten zu können. Ähnlich ist die Softwarepolitik, denn mit dem Rechner werden zwei kommerzielle Softwarepakete verkauft, die weltweit gesehen, Verkaufsrenner sind. Dazu kommen die ebenfalls weltweit verbreitesten BASIC-Interpreter.

Wird Osborne auf das Design seines Volkscomputers angesprochen, das in manchen Punkten verbessert werden könnte (manche wünschen sich einen ebenfalls integrierten, aber größeren Bildschirm), so verweist der Computer-Guru darauf, dass auch der Volkswagen nicht das schönste Auto gewesen sei, das man hätte bauen können, aber trotzdem einen ungeheuren Verkaufserfolg gehabt habe. Das Design, das an eine Nähmaschine erinnern mag, hat seine Gründe. Es gibt Möglichkeiten, um eleganter geformte Gehäuse zu entwerfen. Das Ziel war aber, einen Rechner zu schaffen, der so preiswert und gleichzeitig so servicefreundlich wie irgend
möglich sein sollte. Das Konzept des tragbaren mit Software zu einem attraktiven Preis hat inzwischen Nachfolger gefunden. Aber Adam Osborne fürchtet diese Konkurrenz nicht.

Händlernetz ist wichtig

Um ein Produkt erfolgreich verkaufen zu können, bedarf es einer gutfunktionierenden Händlerkette. Diese haben die Mitbewerber nicht und um den Ruf des Produkts zu wahren, sollen für den deutschen Markt die grauen Importe gestoppt werden.

Rationalisierung war nicht nur beim Hardware-Einkauf und bei der Software-Ausstattung gefragt, sondern auch im Bau der Maschine. Heute bauen 38 Arbeiter 200 Rechner am Tag, in dem sie das Produkt mit insgesamt 48 Schrauben in wenig mehr als einer Stunde zusammenbauen. Dabei vergleicht sich Osborne, gern mit avancierten Mitbewerbern. Er hat ausgerechnet, dass einer seiner Angestellten mehr Umsatz macht als ein Mitarbeiter bei Apple. Insgesamt hat Osborne mehr als sechs Millionen Dollar in die Werbung gesteckt, um Benutzer zu finden, die die Mikrocomputer-Technik zum ersten Mal nutzen wollen. Die ganzen Aktivitäten sind auf Newcomer gerichtet – nicht so sehr auf Umsteiger.

Achtung vor Sinclair

Für Einsteiger die BASIC lernen und sich Computerwissen aneignen wellen, denen es nicht genügt mit einem Anwenderprogramm zu arbeiten, empfiehlt Osborne als ersten Schritt einen ZX 81 zu kaufen. Er bewundert Clive Sinclair, der der Menschheit Computertechnik für 99 Dollar verfügbar macht. Osborne will derjenige sein, der für weniger als 2000 Dollar Personalcomputing für jedermann bereitstellt. Schließlich kommt er (nach seinen Marktanalysen) zu dem Schluß, dass die Büroangestellten mit dem Büro der Zukunft, mit Mikrocomputern und Terminals am Arbeitsplatz leben müßten. Wenn die Arbeitgeber noch nicht daran dächten, solche Geräte zur Verfügung zu stellen, so müßte es sich ein Angestellter privat leisten können.

Für Osborne ist es Arbeitszeit, die mit Hilfe von Personal-Computern eingespart werden kam. Er unterstellt für sich, mit WordStar effektiver zu arbeiten, obwohl er kein Zehnfingersystem beherrscht, wie eine Sekretärin an der Schreibmaschine. Er verweist mit Stolz darauf, dass mit Finanzplanungspaketen wie SuperCalc Budgetentwürfe in Stunden erledigt sein können, wofür klassischerweise ganze Abteilungen wochenlang arbeiten. Computereinsatz bringt aus der Sicht von Adam Osborne Zeit.

Allerdings gehört Osborne auch zu den Kritikern einer totalen Datenverarbeitung. Für ihn gibt es drei Dinge, zu denen man Computer nicht heranziehen sollte: das Auszählen von Wählerstimmen, Banküberweisungen und Börsengeschäfte. In diesen Bereichen könne auch das noch so sichere Programm von cleveren Programmierern so manipuliert werden, dass verfälschte Ergebnisse zu erreichen seien. Das beste Mittel gegen Computerkriminalität ist nach seiner Auffassung, möglichen Manipulatoren erst gar keine Chance zu geben. -der