Commodore

Reviews

Copyright: CHIP, Ausgabe Juni 1983
Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Vogel-Verlags!


Ein ganz starker Typ

Chancen für einen großen Marktanteil verspricht sich Commodore durch ihren neuen Commodore 64, vor allem durch dessen gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Obwohl bereits seit dem Herbst 1982 erhältlich, gelang es dem großen Bruder des VC 20, von dem bereits mehr als 1 Million Stück verkauft worden sind, zunächst nur allmählich, die Gunst breiter Käuferschichten zu erwerben. Diese Situation hat sich in den ersten Monaten dieses Jahres derart verändert, dass zeitweilig Lieferschwierigkeiten auftraten.

Der Grund für diese positive Absatzentwicklung ist in nicht unerheblichem Maße darin zu sehen, dass Einsteiger, die sich den VC 20 angeschafft haben, bald dessen Leistungsgrenzen erkannten und sich nach einem Home-Computer umschauten, der ihren gestiegenen Ansprüchen gerecht wurde. Die logische Konsequenz für Commodore war die Entwicklung des Commodore 64.

Wie es scheint, ist dem Hersteller mit dem Commodore 64 ein guter Wurf gelungen. Für knapp 1400 Mark erhält man einen Home-Computer mit großer Leistungsfähigkeit und Vielseitigkeit. Merkmale sind die Speicherkapazität des Arbeitsspeichers von 64 KByte, die Grafikauflösung von 320 x 200 Punkten und ein spezieller Baustein, der SID (Sound Interface Device), der Klänge erzeugt und aus dem Commodore 64 einen Musiksynthesizer machen kann.

Bewegte Bilder

Während bei den meisten anderen Home-Computern die Voraussetzungen für hochauflösende Grafik erst durch zusätzliche Hardware geschaffen werden müssen, genügt beim Commodore 64 bereits ein entsprechendes Programm. Eine Besonderheit hierbei sind die sogenannten Sprites. Diese Sprites sind kleine grafische Objekte, die unabhängig voneinander kontrolliert werden können. jedes dieser Objekte kann aus maximal 24 x 21 Punkten bestehen. Der Commodore 64 bietet die Möglichkeit, bis zu acht Sprites darzustellen. Dazu muss lediglich das erzeugte Bitmuster an der entsprechenden Stelle in einem bestimmten Speicherbereich abgespeichert werden. Die Sprites können nun durch Angabe der Koordinaten über den Bildschirm bewegt werden, ohne die vorhergehende Position des Sprite zu löschen.

Der POKE macht’s möglich

Die Steuerung der Sprites erfolgt durch POKE-Befehle mittels eines Grafikprozessors, dem sogenannten Video Interface Chip (VIC). Dieser VIC kann auf Wunsch die Sprites in vertikaler und/oder horizontaler Richtung vergrößern sowie eine Kollision zwischen verschiedenen Sprites oder Sprites und Buchstaben bzw. einem bestimmten Hintergrund feststellen und darauf mit Ton- und Grafikeffekten reagieren. Diese Möglichkeiten sind ideal für die Programmierung eigener Videospiele. Da jedes Sprite vor oder hinter Buchstaben, dem Hintergrund oder anderen Sprites erscheinen kann, lassen sich räumliche Grafiken anfertigen.

Neben 62 Grafiksymbolen können auch Grafiken mit einer Auflösung von 320 x 200 Punkten dargestellt werden. Nachteilig hierbei ist allerdings, dass ein großer Teil des Arbeitsspeichers benötigt wird, die Erzeugung einer hochaufgelösten Grafik langsam vonstatten geht und überdies die Programmierung relativ kompliziert ist. Kritik gilt auch der Erzeugung von Sprites durch zeitaufwendige POKE-Befehle, die für den Anfänger eine schwierige Hürde darstellen. Das abgedruckte Listing eines programmierten Fesselballons, der langsam über den Bildschirm schwebt, veranschaulicht dieses Manko deutlich.

Wünschenswert wäre eine spezielle Grafik-Software, die mittels Lichtgriffel die gewünschten Grafiken auf den Bildschirm zeichnet. Vielleicht denkt die Firma Commodore einmal darüber nach, zumal viele der über 200.000 Videofilmer in Deutschland für die Herstellung eigener elektronischer Titel diese Möglichkeit dankbar nutzen würden.

Der Ton macht die Musik

Der Commodore 64 verfügt über die Leistungsfähigkeit eines Musiksynthesizers. Dieser bietet die Möglichkeit, Töne und Geräusche vom Klavier bis zum Flugzeugmotor zu erzeugen. Erwähnenswert ist hierbei die Tatsache, dass es sich im Gegensatz zu vielen handelsüblichen Synthesizern nicht um einen Synthesizer mit nur einer Stimme (monophon), sondern um einen dreistimmigen Synthesizer handelt. Sämtliche zur Klangerzeugung benötigten Bauelemente befinden sich auf einem einzigen Chip, dem sogenannten Sound Interface Device (SID). Dieser verfügt im wesentlichen über drei Tongeneratoren, drei mischbare Filter (Tief-, Hoch- und Bandpaß) und zwei kaskadierbare Ringmodulatoren.

Der Frequenzbereich des Synthesizers erstreckt sich über neun Oktaven. Zur Erzielung der typischen Klangfarbe einer Vielzahl von Instrumenten kann bei der Erzeugung eines Tones die Wellenform gewählt werden als Dreiecks-, Sägezahn-, Puls- oder Rauschfunktion. Vor allem mit dem Rauschen lassen sich in Verbindung mit anderen Wellenformen Geräusche für Videospiele erzeugen. Zwar können die Töne und Geräusche in HiFi-Qualität über eine Stereoanlage abgestrahlt werden. Dazu müssen allerdings die Melodien zeitaufwendig über die Tastatur eingegeben werden. Commodore hat dieses Handikap erkannt und bietet daher das Hilfsprogramm „Synthy 64“ an, mit dessen Hilfe der Commodore 64 zum leichtbedienbaren Synthesizer wird.

Vergleichbare Hilfsprogramme liefert die Firma auch für den Betrieb im Grafik-Mode (Sprite-Editor, ZeichenEditor), die jedoch extra bezahlt werden müssen. Insbesondere der Anfänger würde es sehr begrüßen, wenn diese Hilfsprogramme in der Grundausstattung des Commodore 64 bereits enthalten wären.

Wem die akustischen Möglichkeiten des Commodore 64 immer noch nicht ausreichen, kann sich ab Juni 1983 einen Sprachsynthesizer zulegen. Er wird in den Modulaufnahmeschlitz gesteckt und sein Preis liegt bei etwa 200 Mark. Dieser spricht komplette Sätze mit einer Stimme, die nach Belieben männlich oder weiblich klingt, jedoch auf Wunsch auch an Donald Duck erinnert.

Telespiele als Anreiz

Die hochauflösende Grafik und die Ton- und Geräuscheffekte des Commodore 64 warten geradezu darauf, in selbstprogrammierten Videospielen eingesetzt zu werden. So gibt es bereits die Videospiele „Motor Mania“ sowie „Camels“. Insbesondere das Spiel „Camels“, das starke Ähnlichkeiten zur Atari-kompatiblen Parker-Videospielkassette „The Empire strikes back“ aufweist, bestach durch eine hervorragende Grafik und eine gute Animation.

Passionierte Schachspieler, die hin und wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen möchten, jedoch nicht immer gleich einen Partner zur Hand haben, sei das Schachprogramm „Grandmaster“ empfohlen, das sich durch eine hohe Spielstärke und eine außergewöhnlich gute Grafik auszeichnet. Weitere Besonderheiten sind die frei wählbare Farbe für Schachbrett und Hintergrund sowie die Möglichkeit, das Brett auf den Kopf zu stellen, um auch mit den schwarzen Schachfiguren von unten nach oben zu spielen.

Software ist Mangelware

Leider gibt es derzeit noch nicht viele BASIC-Programme, die auf dem Commodore 64 einsetzbar sind, jedoch sollte sich dieser Zustand in absehbarer Zeit ändern, da Commodore ernsthaft daran denkt, das Gerät als Rechner zu vermarkten. Erhältlich sind derzeit unter anderem die beiden Programme Text-64 (Textverarbeitung) und Adressen-64 (Adressenverwaltung). Größere Bedeutung sollten allerdings die in Assembler geschriebenen Programme Easy Calc, Easy Word und Easy File erlangen, die den Visi-Programmen ähnlich sind und sämtliche Möglichkeiten des Commodore 64 ausnutzen. Die Markteinführung soll in den nächsten Monaten erfolgen.

Mittels eines Z80-Erweiterungsmoduls nebst dazugehöriger Diskette lässt sich auch CP/M-Software verwenden, wodurch das derzeit für den Commodore 64 geeignete SoftwareAngebot verbessert wird. Da jedoch kein BASIC-Interpreter mitgeliefert wird, sondern nur in Assembler programmiert werden kann, eignet sich das CP/M-System auf der Basis des Commodore 64 nur bedingt für den professionellen Einsatz.


10 POKE 56322, 224
20 J = PEEK(56320)
30 IF (J AND 1)=0 THEN PRINT "OBEN"
40 IF (J AND 2)=0 THEN PRINT "UNTEN"
50 IF (J AND 4)=0 THEN PRINT "LINKS"
60 IF (J AND 8)=0 THEN PRINT "RECHTS"
70 IF (J AND 16)=0 THEN PRINT "KNOPF"
80 GOT0 20
READY.

Programm zur Überprüfung der ein wandfreien Joystick-Funktion an Control-Port 2


In den Bereich der Software fällt im weitesten Sinne auch das Bedienungshandbuch für den Commodore 64, das ebenfalls Kritik herausfordert. Der Umfang und Detailreichtum steht leider in umgekehrtem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Rechners und lässt lediglich vage dessen außergewöhnliche Möglichkeiten erahnen. Abhilfe verspricht der gegenwärtig von Commodore Deutschland übersetzte „Commodore 64 Programmer’s Reference Guide“, der viele Tricks und Tips zur Programmierung des Computers vermittelt.

Wer nicht mehr länger warten und bereits heute ein diesbezügliches Werk erstehen möchte, dem kann das erst kürzlich in deutsch erschienene Buch „64 intern“ empfohlen werden. Es kostet allerdings 69 Mark, bietet aber auf 301 Seiten Informationen über den inneren Aufbau des Commodore 64 und zahlreiche Programmierbeispiele.

Peripheriegeräte sind im Kommen

Zur Speicherung und Wiedergabe der selbsterstellten und gekauften Programme ist neben einem Kassettenlaufwerk (ca. 200 Mark) auch das Diskettenlaufwerk VC 1541 (ca. 850 Mark) möglich. Da Commodore keinen preiswerten Schönschreibdrucker anbietet, muss auf Fremdfabrikate ausgewichen werden. Es gibt zum Beispiel die elektronische Schreibmaschine Olympia electronic compact für ca. 1600 Mark inklusive Schnittstelle für den Commodore 64.

Es gilt, die führende Position zu verteidigen. „Wie Stereoanlagen sollen in Zukunft auch unsere Computer über alle Händler verkauft werden“, so Robert Lane, Präsident von Commodore in Nordamerika, „Wir werden sorgfältig darauf achten, was unsere Kunden benötigen. Und wichtiger noch, wir geben unseren Kunden etwas, mit dem sie nie gerechnet hatten, dass sie es bekommen könnten.“

Der Commodore 64 ist ungewöhnlich vielseitig und weist ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis auf. Unter der Voraussetzung einer baldigen Verbesserung der Softwaresituation und die Ausschöpfung der vorhandenen Erweiterungen könnte sich der Commodore 64 nicht nur als anspruchsvoller Heimcomputer, sondern auch als kommerziell einsetzbarer Rechner erweisen. Björn Schwarz

CHIP-Wertung

Was uns gefällt:

– gutes Preis-Leistungs-Verhält nis
– großer Arbeitsspeicher
– ausgezeichnete Grafikfähigkeiten
– integrierter Synthesizer

Was uns weniger gefällt:

– spärliche Dokumentation
– komplizierte Programmierung der Grafik

Technische Daten

CPU: Commodore M0S6510
RAM: 64K, davon 39K für BASIC-Programm, 52K für Maschinenspracheprogramm frei verfügbar
ROM: 20K
CP/M: Einsatz von CP/M-Software durch zusätzliche Z80-Karte möglich
Bildschirm: 16 Farben, 35 Zeilen, 40 Zeichen je Zeile, hochauflösende Grafik mit 320 x 200 Bildpunkten, Umschaltung von Grafik auf Business-Mode, Rollen des Bildschirms vorwärts, Einfügen von Zeichen und Text in bestehende Zeilen
Tonerzeugung: Professioneller Musik-Synthesizer mit drei Tongeneratoren, drei mischbaren Filtern, einem Hüllkurvengenerator für jeden Tongenerator und zwei kaskadierbaren Ringmodulatoren
Tastatur: Schreibmaschinen-Tastatur, 63 Standard-ASCII-Zeichen, 62 Grafik-Zeichen, vier Funktionstasten für acht programmierbare Funktionen
Farben: Schwarz, Weiß, Grau 1, Grau 2, Grau 3, Rot, Türkis, Violett, Grün, Blau, Gelb, Orange, Braun, Hellrot, Hellgrün, Hellblau
Anschlüsse: Modul-Steckplatz, TV-Anschluss, Audio- und Videoanschluss (DIN), serieller Ausgang (Floppy und/oder Drucker), Rekorderanschluss, USER-Port (1 bis 8 bit parallel)
Mögliche Systemerweiterungen: RS-232-C-Terminal Type (V24), RS-232-C-Current Loop Type (20 mA), IEEE 488-Bus-Parallel-Interface
Anschließbare Zusatzgeräte: Datasette, Single Drive Floppy 1541, Grafikdrucker VC 1515, Steuergeräte für Videospiele (Joystick, Paddle, Light Pen)